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       # taz.de -- Schottlands Optionen bei einem Brexit: Angst beherrscht die Stimmung
       
       > Die bange Frage: Wird Schottland erneut über die Unabhängigkeit
       > abstimmen, wenn der Brexit kommt? So richtig traut sich niemand an das
       > Thema.
       
   IMG Bild: Momentan ist ein Großteil der Schotten für den Verbleib Großbritanniens in der EU
       
       DUBLIN taz | Sicher, die Schotten werden mehrheitlich für den Verbleib in
       der EU stimmen, doch die Brexit-Befürworter haben Boden gutgemacht. Im
       April sagten noch zwei Drittel der Befragten, dass sie in der EU bleiben
       wollen. Nach neuesten Umfragen von vergangener Woche sagen das nur noch 53
       Prozent, während 32 Prozent für den Austritt sind.
       
       Das ist immer noch ein deutlicher Vorsprung, aber man kann Schottland nicht
       isoliert betrachten. Der Sprecher der Lobbygruppe „Schottland stärker in
       Europa“, John Edwards, sagte im Mai: „Das schottische Ergebnis ist wichtig,
       wenn nicht sogar entscheidend für das Gesamtergebnis im Vereinigten
       Königreich.“ Und das könnte wegen des Rückgangs der schottischen
       Pro-EU-Stimmen in Richtung Brexit tendieren.
       
       Offenbar hängt der Stimmungswandel mit dem „Projekt Angst“ zusammen. Vor
       dem Unabhängigkeits-Referendum im Jahr 2014 malten sowohl Tories als auch
       Labour und Liberale Demokraten ein Untergangsszenario für ein unabhängiges
       Schottland.
       
       Kaum war die Sache abgewendet, da wurde die versprochene stärkere Autonomie
       für das Parlament in Edinburgh auf Eis gelegt – mit dem Ergebnis, dass sich
       die Mitgliederzahl der separatistischen Scottish National Party (SNP) auf
       120.000 verfünffachte. Auch diesmal schüren die EU-Befürworter die Angst
       vor den Folgen des Brexit, und viele Schotten winken in Anbetracht des
       Wortbruchs vor zwei Jahren entnervt ab.
       
       Ist ein zweites Unabhängigkeitsreferendum in Schottland nach dem Brexit
       unausweichlich? Nicht nur die britischen Medien, sondern auch der britische
       Premierminister David Cameron, Oppositionsführer Jeremy Corbyn, der frühere
       Premier Tony Blair und Schottlands Expremier Alex Salmond sind davon
       überzeugt. Blair sagte: „Die Argumente für die schottische Unabhängigkeit
       sind heute sehr schwach. Wenn Großbritannien aber für den Austritt aus der
       EU stimmt, könnte sich das ändern.“
       
       ## Schwächere Argumente, schwierigere Währungsfrage
       
       Und Salmond, der nach dem verlorenen Referendum 2014 als SNP-Chef und als
       Premierminister zurücktrat, sagte: „Wenn die Situation eintritt, dass
       Schottland für den Verbleib in der EU stimmt, der Rest des Vereinigten
       Königreichs oder England aber Schottland aus der EU zerrt, würde das meiner
       Meinung nach ein neues Unabhängigkeitsreferendum rechtfertigen.“
       
       Seine Nachfolgerin auf beiden Posten, Nicola Sturgeon, ist vorsichtiger.
       Zwar sagte auch sie, dass ein neues Referendum bei diesem Szenario „fast
       sicher“ sei – aber eben nur fast. Zum einen kann das schottische Parlament
       einen solchen Volksentscheid gar nicht ansetzen, das darf nur das Parlament
       in London. Zum anderen ist das Argument für die wirtschaftliche
       Überlebensfähigkeit eines unabhängigen Schottlands durch den Einbruch des
       Ölpreises schwächer geworden.
       
       Darüber hinaus wäre die Währungsfrage noch schwieriger zu beantworten als
       damals. Bei einem Brexit könnte Schottland als EU-Mitglied Sterling nicht
       beibehalten und müsste entweder eine eigene Währung schaffen oder dem Euro
       beitreten und sich den strikten Kreditregeln unterwerfen.
       
       Und der wichtigste Punkt: Würden die Schotten überhaupt für die
       Unabhängigkeit stimmen? Laut Umfragen schwankt die Unterstützung zwischen
       47 und 53 Prozent. Sturgeon hat stets betont, dass sie erst dann für ein
       neues Referendum werben werde, wenn die Umfragen stabil bei 60 Prozent
       liegen, denn sollte auch ein zweites Referendum verloren gehen, wäre das
       Thema wohl für Jahrzehnte vom Tisch.
       
       17 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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