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       # taz.de -- Vorwahlkampf in Bremen: Das Ticket nach Berlin
       
       > Kurz vor der Sommerpause teilt Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) ihrer
       > Partei mit, dass sie gern in den Bundestag will. Das sorgt für Unruhe.
       
   IMG Bild: Sehnsuchtsort Bundestag: Zuschauen dürfen alle, weiter unten ist es enger
       
       Bremen taz | Für Unterhaltung im Sommer ist gesorgt: Ein halbes Jahr bevor
       die Bremer Grünen ihre Liste für die Bundestagswahl 2017 aufstellen, hat
       sich mit Kirsten Kappert-Gonther eine erste Kandidatin gemeldet: Gestern
       veröffentlichte die Partei intern eine einschlägige Erklärung der Ärztin
       und Psychotherapeutin. Das Land sei darauf „angewiesen, dass in Berlin
       Bremens Interessen aus grüner Perspektive laut und deutlich artikuliert
       werden“, schreibt die stellvertretende Vorsitzende der
       Bürgerschaftsfraktion darin. „Dafür stehe ich. Das traue ich mir zu“, wirbt
       sie um das Vertrauen der Mitglieder.
       
       Für Unruhe dürfte das nicht nur in der Fraktion sorgen, die ja ohnehin
       schon zwei Abgänge verarbeiten muss und zudem Kappert-Gonther gerade erst
       als Vorstand bestätigt hat, sondern vor allem hinter den Kulissen und bei
       der langjährigen Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck. Die hat sich zwar
       noch nicht erklärt, und laut Parteiinsidern soll sie sogar vor vier Jahren
       beteuert haben, nie wieder antreten zu wollen – in Reaktion darauf, dass
       der damalige Parteivorstand Kappert-Gonther gegen sie in Stellung gebracht
       hatte.
       
       Aber selbst wenn dem so wäre – verbindlich ist so ein Versprechen natürlich
       nicht, und sich auf eine solche ererbte Absprache zu berufen, wäre für die
       neue Parteiführung eher peinlich. Mittlerweile deutet jedenfalls alles
       darauf hin, dass Beck, [1][die 1983 erstmals in den Bundestag einzog] –
       damals noch aus einem Wahlkreis in Baden-Württemberg, und noch bevor das
       Parlament im alten Bonner Wasserwerk [2][untergebracht] wurde – gerne noch
       eine weitere Legislatur dranhängen will. Und es heißt, dass sie ihre Bremer
       ParteifreundInnnen mit Einzelgesprächen und Überraschungsanrufen versucht,
       auf Linie zu bringen.
       
       Vor vier Jahren hatte sie sich knapp gegen die damals politisch unerfahrene
       Kappert-Gonther durchgesetzt. Mittlerweile hat die sich aber im Land und in
       der Stadtgemeinde Bremen einen Ruf zumal als Gesundheitspolitikerin
       erworben, die mit populären Themen wie dem Einsatz für Bio-Essen in den
       Schulkantinen in Verbindung gebracht wird, aber auch sperrige und durchaus
       angstbesetzte Themen wie die Reform der ambulanten psychiatrischen
       Betreuung [3][voranbringt].
       
       Auf die bezieht sie sich auch in ihrem Bewerbungsschreiben, denn zwar
       würden die Vorstellungen über ein gesundes Leben in den Kommunen entstehen,
       „die gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen“ aber schaffe der
       Bundestag. Deshalb sei „wichtig, dass wir dort mit unseren Erfahrungen aus
       unserem Zweistädtestaat die Interessen der Kommunen glaubwürdig vertreten“.
       
       Der Landesvorstand hat sich in der Kandidatinnenfrage Neutralität verordnet
       – ein Hinweis auf fehlende Einigkeit. Man begrüße „alle Bewerberinnen“,
       hieß es gestern. In der Vergangenheit hatte es allerdings mehrfach
       Auseinandersetzungen um Beck gegeben. So hatte die Bundestagsabgeordnete
       der Landesmitgliederversammlung noch im Oktober in einem Beitrag [4][auf
       der Landesverbands-Homepage unterstellt], „jegliche Debattenkultur durch
       bösartige Unterstellungen zu zerstören“: Anlass war, dass sich eine
       Mehrheit dagegen ausgesprochen hatte, die Balkanstaaten Albanien, Kosovo
       und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.
       
       Die Osteuropapolitik-Expertin behauptete auf der Landesverbands-Homepage,
       die Debatte habe das „Recht auf differierende Meinungen“ verletzt. Da
       verlor nicht nur Landesvorstandssprecher Ralph Saxe für einen Moment die
       Fassung: „Ich empfinde das, was Du schreibst – ganz persönlich – als nicht
       zutreffend“, kommentierte er mit verhaltenem Zorn.
       
       Deutlich weiter war indes Landesschatzmeister Michael Pelster gegangen: Im
       Februar 2015 hatte er einen offenen Brief unterzeichnet – gerichtet an die
       Spitzen von Bundespartei und Bundestagsfraktion. Und gegen Marieluise Beck.
       Anlass waren deren beharrliche Warnung davor, die territoriale Integrität
       der Ukraine und ihrer Nachbarn der 'Besonnenheit“ deutscher Russlandpolitik
       geopfert werden.
       
       Das auf der „Grüne Linke“-Site [5][eingestellte Schreiben wirft Beck
       deshalb vor], Positionen zu vertreten, „die in keinster Weise grüne
       Beschlusslage“ seien. Was sie mache, „zum Teil in klar bestimmbaren
       neokonservativen transatlantischen Netzwerken“, sei „parteischädigend“. Ein
       schwerwiegender Angriff, der aber schon wieder verraucht zu sein scheint:
       Mittlerweile gilt Pelster als Beck-Befürworter.
       
       Kappert-Gonther hat ihre Bewerbung unter das Oberthema Inklusion gestellt:
       Für sie bedeute „grüne Politik, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken
       durch Teilhabe und Gleichberechtigung“, schreibt sie. Die Errungenschaften
       dieser Politik gelte es, zu bewahren und weiterzuentwickeln“.
       
       16 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://marieluisebeck.de/artikel/06-03-2008/25-jahre-gr-ne-im-bundestag
   DIR [2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/35487349_kw36_25_jahre_wasserwerk/206072
   DIR [3] /!5309220/
   DIR [4] http://gruene-bremen.de/partei/die-meinung-am-freitag/volltext-fuer-meinung/article/die_meinung_am_freitag_16102015_von_marieluise_beck/
   DIR [5] http://www.gruene-linke.de/2015/02/22/offener-brief-an-die-bundesvorsitzenden-und-die-vorsitzenden-der-bundestagsfraktion/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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