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       # taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
       
       > Amtliche Armbinden für Pegida-nahe „Bürgerwehren“, Merkels
       > Serpentinentalk und verpixeltes Nachmittagsfernsehen.
       
   IMG Bild: Armschmuck von de Maizières Gnaden? Die Farbkombination passt auf jeden Fall voll zur Bürgerwehrmentalität
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Russische Leichtathleten dürfen nicht zu Olympia.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Russen werden zwangsverpflichtet, an der Tour de France teilzunehmen.
       
       Zur Ermordung der britischen Labour-Abgeordneten Jo Cox twitterte Kölns
       Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Ausländerfeindliche Parolen münden
       unweigerlich in Gewalt.“ Sie weiß, wovon sie spricht. Und was machen wir
       jetzt daraus? 
       
       Die Briten müssen nun in der Europäischen Union bleiben, denn makaberer
       kann eine Pointe nicht sein.
       
       Nach dem Massaker von Orlando wurde die Reaktion Merkels kritisiert, weil
       ihr die Worte „schwul“, „lesbisch“ oder gar „LGBT“ nicht über die Lippen
       gehen wollten. Inzwischen hat sie nachgeliefert. Stimmt jetzt alles mit dem
       Bauchgefühl der Deutschen im Umgang mit Homosexualität? 
       
       Dass man erst mal die Ermordung von Menschen bedauert und betrauert, bevor
       man auf Nachfrage ins Detail geht – so richtig verwerflich kann ich das
       nicht finden. Angela Merkel wird in diesem Kontext auch ihr Serpentinentalk
       vorgehalten, mit dem Sie im 2013er Wahlkampf zum Thema „Adoptionsrecht für
       Schwule und Lesben“ brillierte: „Ich tu mich schwer damit“ – „Ich mag
       manchem hier in meinem Denken etwas veraltet vorkommen“ – „Ich bin mir
       nicht sicher“. Fairness Merkel gegenüber gebietet hier, auch die aktuelle
       Debatte „Warum die Union die rechten Wähler nicht mehr binden kann“
       mitzudenken: Man kann eine rechte Union haben, die die AfD erübrigt – oder
       eine maximalgeschmeidige Merkel, die das schlagkräftigste Argument für die
       AfD wird.
       
       „Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer
       Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden“, hatte
       Innenminister Thomas de Maizière über die Ursache eines Rückstaus bei der
       geplanten Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern gesagt. Wie der
       Mitteldeutscher Rundfunk recherchierte, sind die 70 Prozent, von denen er
       sprach, offenbar einfach nur ausgedacht. Wechselt de Maizière bald zur AfD? 
       
       Nein, vermutlich stammen de Maizieres Zahlen von seinen schicken neuen
       Hilfspolizisten, die nach sparsamster Ausbildung auf die Menschheit
       losgelassen werden sollen. Vielleicht will er auch einfach unter den
       Pegida-nahen „Bürgerwehren“ amtliche Armbinden verteilen oder so;
       jedenfalls ist das Referat „Stammtischparolen für den gehobenen Dienst“ im
       Innenministerium offenbar völlig außer Form, das rohrkrepiert erschütternd
       vor sich hin.
       
       Nein heißt jetzt endlich Nein, oder? Und müssen wir uns dafür bei
       Justizminister Heiko Maas bedanken? Oder bei Gina-Lisa Lohfink? Oder bei
       den ausländischen Gewalttätern der Kölner Silvesternacht? 
       
       Wenn Maas nicht als Ronaldo der Rechtsgeschichte reüssieren möchte, „muss
       er den jetzt machen“. Was nichts daran ändert, dass damit auch er – wie
       reichliche viele – die Frau benutzen. Man hatte sich Loriots
       Familien-Original-Benutzer immer anders vorgestellt als ein
       durchgebotoxtes It-Girl mit vielen Originalteilen. Genau das jedoch
       passiert jetzt: von der „Geschieht ihr recht“-Fraktion bis hin zum
       Justizminister, der seit Jahren an einer Präzisierung des Sexualstrafrechts
       arbeitet, wird die mediale Figur Lohfink ihres Schicksals enteignet. Hört
       man da jemanden „Die will es doch so“ sagen? – Das gilt auch für
       Feministinnen, die eben noch das Modell Lohfink empört abgelehnt haben.
       
       Das soziale Netzwerk Facebook hat eine neue Funktion, die das Live-Streamen
       von Videos erlaubt. Von dieser machte auch der Mann Gebrauch, der in der
       vergangenen Woche im französischen Magnanville einen Polizisten erstach und
       dessen Lebensgefährtin die Kehle durch schnitt und nur den dreijährigen
       Sohn am Leben ließ. Müssen wir uns jetzt an Snuff-Videos gewöhnen? 
       
       Längst; Facebook reagiert damit auf die Apps „persicope“ und „meerkat“, die
       diese Option schufen – und bereits benutzt wurden, um Vergewaltigungen live
       zu übertragen. Dabei tritt in den Hintergrund, dass diese Technik nach
       hiesigem Rechtsverständnis bereits strafbar ist, wenn sie über
       Stadtparkverfilmung hinausreicht: Wer Bewegtbilder sendet, benötigt die
       Einverständniserklärung aller Abgebildeten. Sogar der unvergewaltigten.
       Viele Arbeitsplätze beim Nachmittagsfernsehen handeln vom Verpixeln und
       Nachsprechen entsprechender illegal aufgenommener Sequenzen.
       
       Die Ergebnisse der neue Mitte-Studie der Universität Leipzig legen den
       Schluss nahe, dass es zwar nicht mehr Rechte in Deutschland gibt, dass
       diese jedoch in ihren Einstellungen immer extremer werden. Wie lange wird
       der demokratische Kern der Gesellschaft seine Ränder halten können? 
       
       Na klar. Setzen wir auf die Fancrowd von Menschen wie Sarrazin, die aus der
       Mitte heraus rechte Positionen bekämpfen.
       
       Fußball: Island gegen Portugal, Russland gegen England, Rumänien gegen
       Frankreich. Hätten Sie gedacht, dass auch die bislang eher nicht so sehr
       durch fußballerische Spitzenleistungen aufgefallenen Nationen bei der
       Europameisterschaft in Frankreich so gut mithalten können? 
       
       Das kann man auch als Metapher auf unser Bildungssystem lesen: Wo sich ein
       Fußballtalent früh regt, wird es ins Clubinternat geshanghait, bekommt
       beste Ausbildung und brilliert dann, „obwohl es in Island nur ein paar
       tausend Kicker gibt“. Also: Ausbildung nach Talent und ohne Ansehen der
       Herkunft. Gar nicht auszumalen, wie viel schlauer wir würden, wenn unsere
       Schulen so funktionierten.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Wir können Nuri Sahin im türkischen Team anfeuern und Roman Bürki im
       Schweizer Tor. Der Rest des BVB hat – bis auf Reservist Weigl bei der
       „Mannschaft“ – schön Pause. Was für einen furiosen Saisonstart werden wir
       hinlegen im Vergleich zu den plattgespielten Nationalbayern!
       
       Fragen: AW, MAHA, ROBO
       
       19 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friedrich Küppersbusch
       
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