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       # taz.de -- Kommentar Erbschaftsteuer: Zocken mit Karlsruhe
       
       > Die neuen Regeln für die Erbschaftssteuer sind ein fauler Kompromiss.
       > Vermutlich werden auch sie vom Verfassungsgericht kassiert.
       
   IMG Bild: Hat sich auf einen faulen Kompromiss eingelassen: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
       
       Wenn drei Parteien ein Gesetz beschließen müssen, das sie nicht wollen,
       kommt eine Regelung wie die zur Erbschaftsteuer dabei heraus. Ein Gesetz,
       bei dem niemand weiß, ob dadurch mehr Einnahmen in den Bundeshaushalt
       fließen werden. Eines, das Betriebsvermögen unter 26 Millionen Euro
       weiterhin bei Erbschaften steuerfrei stellen will. Eines, das durch nichts
       begründete Sonderregelungen vorsieht, etwa für Landwirte, die
       Saisonarbeiter nicht bei der Beschäftigtenzahl anrechnen lassen müssen.
       Eines, das immerhin in einigen Punkten größere Steuergerechtigkeit
       verspricht.
       
       So wird es künftig schwer gemacht, Privathäuser ins Firmenvermögen zu
       verschieben und so von einer höheren Steuer zu verschonen.
       
       Betriebsvermögen muss bei der Erbschaftssteuer anders behandelt werden als
       private Erbschaften, weil eine zu hohe Steuer Unternehmen gefährdet. Dieses
       Grundproblem ist von der letzten Großen Koalition dazu genutzt worden,
       Firmenerben unverhältnismäßig zu privilegieren. Das
       Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz deshalb Ende 2014 für
       verfassungswidrig und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende Juni 2016.
       
       Ohne die jetzige Neuregelung auf den letzten Drücker hätte Karlsruhe von
       sich aus Regeln festlegen können. Und die wären womöglich härter
       ausgefallen als das neue Gesetz, das wieder vor dem höchsten deutschen
       Gericht landen wird. Die Große Koalition hat damit den Firmenerben Zeit
       gekauft – und bis zum nächsten Urteil in einigen Jahren eine Menge Geld
       geschenkt.
       
       Gleich drei Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen. Erstens: Die Große
       Koalition will die gesellschaftliche Spaltung zwischen den Beziehern
       leistungsloser Einkommen – sprich: Erben – und denen, die auf einen
       Arbeitsplatz als Erwerbsquelle angewiesen sind, nicht verringern.
       
       Zweitens: SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht zwar von Rot-Rot-Grün, schließt
       in Verteilungsfragen aber lieber faule Kompromisse mit der Union. Und
       drittens: Die Regierung verabschiedet wiederholt ein Gesetz, das
       höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist.
       
       Eine Gefahr für die Demokratie geht aber nicht nur von Rechtspopulisten
       aus. Sondern auch von einer Regierung, die lieber zockt, ob ihre Gesetze in
       Karlsruhe Bestand haben, als die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
       eindeutig zu erfüllen.
       
       20 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
       
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