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       # taz.de -- „Keanu“ im Kino: Ohhh, ein Kätzchen!
       
       > Die Actionparodie „Keanu“ mit dem Komikerduo Key & Peele hat ein Herz für
       > kleine Tiere – und bricht kulturelle Codes.
       
   IMG Bild: Das Kätzchen Keanu. Nicht ganz im Bild: Clarence (Keegan Michael Key) und Rell (Jordan Peele)
       
       Zu den Geheimnissen, denen das Internet mit seinen
       Suchmaschinentrefferzahlen die Aura der Heimlichkeit genommen hat, gehört
       die allgemein menschliche Vorliebe für – Katzenvideos. Wie die in ähnlicher
       Weise enttarnte Pornografiedominanz ist auch die Beliebtheit von
       Katzenvideos hinreichend mit anthropologischen Standards erklärt,
       Kindchenschema, Pfötchengröße, Beschützerreflex usw.
       
       Trotzdem braucht es eine Komödie wie „Keanu“ vom schwarzen amerikanischen
       Komikerduo Key & Peele, um den Hype ums Kätzchen satirisch an die alte
       Frage zu binden: Wann ist ein Mann ein Mann?
       
       Die Eröffnungssequenz von „Keanu“ bringt gleich mehrere top-gerankte
       visuelle Reize zusammen. Zwei schweigsame, schwerbewaffnete Männer – sie
       könnten aus einem Tarantino-, John-Woo- oder Wachowski-Film stammen (als
       die Schwestern noch Brüder waren) – betreten eine Drogenküche und richten
       ein Massaker an.
       
       Die Action ist lustvoll choreografiert: Die Körper fallen in Zeitlupe, das
       Heroin stäubt pittoresk, Kugeln werden mit Salto rückwärts umtanzt und die
       Gangster schießen bevorzugt mit zwei Waffen gleichzeitig in verschiedene
       Richtungen. Alles wie gehabt, ein hochdramatischer, „Carmina
       Burana“-nachahmender Music-Score eingeschlossen, nur dass hier zwischen all
       dem wohltemperierten Chaos ein Kätzchen rennt.
       
       ## Durch den Heroinstaub hüpfen
       
       Die Äuglein groß und dunkel, die dicken Pfötchen nach außen gestellt, das
       Schwänzlein steil in die Höhe gereckt, hüpft es durch den Heroinstaub
       haarscharf an so mancher Kugel vorbei. Und das Abgedroschene der
       ausgefeilten Action-Choreografie verbindet sich mit dem noch
       Abgedroscheneren, der Niedlichkeit des Kätzchens, überraschend zu etwas
       Reizvollem. Plötzlich weiß man nicht mehr ganz so genau, was man von dem
       doch eigentlich auserzählten Genre der Actionparodie erwarten soll.
       
       Das Kätzchen unterdessen flieht in bester alter Hobo-Tradition nach Los
       Angeles, wo es ausgerechnet vor der Tür von Rell (Jordan Peele) landet,
       einem weinerlichen Kiffer und Nichtstuer, der gerade von seiner Freundin
       verlassen wurde. Eben noch hatte er seinem Cousin Clarence (Keegan-Michael
       Key), einem verspannten Motivationstrainer, sein Leid geklagt: „Ich sehe
       aus wie Apollo Creed!“ – „Welcher ‚Rocky‘-Film?“ – „Der, in dem er stirbt!“
       Als Rell das miauende Kätzchen vor der Tür entdeckt, erhält sein Leben
       einen neuen Sinn: „Manche Dinge passieren aus gutem Grund!“
       
       Die Handlung entfaltet sich von da an im Großen und Ganzen vorhersehbar:
       Das Kätzchen, das Rell auf den Namen „Keanu“ tauft (angeblich heißt „Keanu“
       auf Hawaiisch kühle Brise), wird durch eine Verwechslung von einem
       Drogenboss gekidnappt, woraufhin Rell und Clarence für die Rettung des
       geliebten Tierchens ihr Weicheiertum überwinden müssen, um als Gangster zu
       posieren.
       
       In der Summe macht „Keanu“ dabei nicht so viel anders als andere
       Actionkomödien. Wichtig aber sind die Details. Die Handlungsstruktur trägt
       dabei noch deutlich die DNA der Sketch-Show „Key & Peele“, in der sich das
       Komikerduo an den Stereotypen der Popkultur und amerikanischer
       Rassenbeziehungen abarbeiteten.
       
       Ihr wohl bekanntester Sketch ist die Nummer mit Obamas „Ärger-Übersetzer“:
       zu Peeles vollendet unterkühlter Obama-Impression trat Key als aufgeregter
       Übersetzer Luther auf. Wenn Peeles Obama in seinem stotternden, Emotionen
       unten haltenden Stakkato etwa seinen Feinden versicherte, er höre ihnen zu,
       ließ Keys Luther in der Übersetzung ein paar nicht sendungsfähige Flüche
       raus und schickte noch Drohungen hinterher. (Man kann sich das als
       universales Prinzip vorstellen: wenn Anke Engelke die Standhaftigkeit
       Angela Merkels mit Nudelholzschwingen und einem giftigen „Horst, jetzt
       reicht’s!“ begleiten würde.)
       
       ## Meister des Code-Switchens
       
       Die Idee des „Ärgerübersetzers“ für Obama – später für die ganze
       Präsidentenfamilie – geht über den komischen Effekt hinaus: Key und Peele
       sind Meister des Code-Switchens; sie bilden einen kulturellen Habitus ab
       und brechen ihn mit Über- oder Untertreibung. Und es sind solche Details,
       die „Keanu“ sehens- und besonders auch hörenswert machen.
       
       Sei es die immer gleiche „Ohhh!“-Reaktion der beiden Männer auf die
       Kätzchen oder die subtile Darlegung des Unterschieds von „schwarzer“ und
       „weißer“ Musik am Beispiel von George Michael. Oder Clarences
       Job-Identität, die ihn dazu bringt, die Drogen-Gang mit
       Motivationstrainermethoden zu besserer Zusammenarbeit bringen zu wollen:
       „Jeder stellt sich vor und erzählt zwei Sachen über sich!“
       
       Besonders aber sind es die sprachlichen Codes, die Key und Peele hier
       „switchen“, wenn sie aus ihren „Schwarze Mittelklasse“-Ichs ins
       Hollywoodklischee des schwarzen Gangster-Idioms schlüpfen und dabei so
       übertreiben, dass ihre Aktionen oft nicht ganz mithalten können. „Wordness
       to the turdness!“
       
       7 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schweizerhof
       
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