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       # taz.de -- EMtaz: Viele Türken lehnen ihr Team ab: Verhaltene Begeisterung
       
       > Fans und Journalisten kritisieren, dass der türkische Fußball zu nah an
       > Erdogan ist. Das liegt am Trainer Fatih Terim.
       
   IMG Bild: Fatih Terim: Der Spitzname des türkischen Trainers ist „der Imperator“. Warum bloß?
       
       Um 15 Uhr wird auch der Spielbetrieb in der EM-Gruppe D eröffnet: Türkei
       gegen Kroatien. Es ist das fünfte Länderspiel zwischen beiden Teams.
       Kroatien hat bislang zweimal gewonnen, die Türkei blieb einmal Sieger.
       
       Türkeis Trainer Fatih Terim beteuert, dass die Türkei dieses Spiel nicht
       als die Revanche des Viertelfinales der Euro 2008 sieht, bei dem die Türkei
       die Partie nach Elfmeterschießen gewann. Terim sagt höflich: „Wir
       respektieren sie.“ Sein kroatischer Kollege Ante Čačić ergänzt nicht minder
       zuvorkommend: „Das erste Spiel ist für beide Seiten wichtig. Bei allem
       Respekt vor der Türkei, möchten wir ein gutes Ergebnis. Wir haben die
       Türkei analysiert und haben unser Plan.“
       
       Das ist ein schönes Gefühl für die türkische Auswahl, denn sie sind nach
       acht Jahren wieder bei einer EM dabei. Die Türkei hat schwere Zeiten hinter
       sich: Für die beiden letzten WMs konnte sie sich nicht qualifizieren,
       ebenso wenig für die EM 2012 in der Ukraine und Polen.
       
       Und auch für diese EM war es bis zum letzten Spiel offen, ob die Türken es
       zum Turnier nach Frankreich schaffen. Mit einem Tor in der 90. Minute von
       Selcuk Inan gegen Island war es jedoch geschafft, wenn auch mit viel Glück.
       Die Begeisterung im Land war allerdings nicht so groß, wie man denken
       könnte. Viele türkische Fußballfans mögen die türkische Mannschaft nicht.
       Vor allem lehnen sie die autoritäre Kultur im türkischen Fußball ab.
       
       „Eine Unterwerfungskultur“ 
       
       „Fatih Terim und Erdogan sind gleiche Personen mit unterschiedlichem
       Aussehen“, sagt Inanc K., ein Galatasaray-Fan, der in Bayern lebt und
       seinen Familiennamen nicht veröffentlicht sehen will. Warum? „Sie
       akzeptieren keine Kritik. Das ist eine Bai'a-Kultur, in der man absolute
       Unterwerfung erwartet.“ Der Spitzname von Trainer Terim lautet in seiner
       Zeit als Trainer von Galatasaray nicht umsonst „Der Imperator“: Viermal
       hintereinander coachte er diese Mannschaft zum türkischen Meister und
       gewann mit ihr 2000 den Uefa-Pokal.
       
       In der Zwischenzeit hat er sein Image stark verinnerlicht. Wie
       Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mag es Terim gar nicht, von der Presse
       kritisiert zu werden. Ein gutes Beispiel dafür war das Freundschaftsspiel
       vor zwei Jahren zwischen der Türkei und Brasilien, das die Spieler Terims
       0:4 verloren. Nach dem Spiel kündigte Terim an, dass jeder in der Türkei
       die wahre Realität des türkischen Fußballs erkennen sollte – als ob er
       nicht selbst Teil dieser Realität ist.
       
       Zwölf Jahre – mit Unterbrechungen – trainiert er die Mannschaft der Türkei
       schon, mit manchen Erfolgen und vielen Misserfolgen. Davon abgesehen, dass
       er mit einem Jahressalär von 3,5 Millionen Euro mehr verdient als Joachim
       Löw, wird Terims Arroganz und sein hohler Nationalismus gar nicht
       geschätzt.
       
       „Fußball steht unter den grauen Wolken der Politik“
       
       Außerdem weise viele Fans darauf hin, dass der Profifußball mehr und mehr
       dem allgemeinen Kult um Präsident Erdogan sich unterwirft. Arican K., Fan
       aus Istanbul, erläutert: Nach der vergangenen Saison sind viele Spieler
       nach Mekka geflogen und haben ihre Fotos in den sozialen Medien
       veröffentlicht – das macht ihren Fußball nicht besser, aber hilft ihrem
       Image in der Türkei.“
       
       Cagri U., ein Journalist aus Istanbul, meint, dass „der türkische Fußball
       immer unter den grauen Wolken der türkischen Politik“ steht. Und Koray S.,
       der in München lebt, empört sich: “Ich will nicht sehen, dass Erdogan und
       Ministerpräsident Yildirim sich Erfolge zuschreiben, obwohl sie keinen Teil
       an ihnen haben.“
       
       Aber am Ende sind sich die türkischen Fans auch bewusst: Sie lieben Fußball
       sehr. Sie alle erinnern sich an der EM 2008 sehr gut und können nicht
       versprechen, dass sie gleichgültig bleiben können, wenn die Türkei wieder
       ins Viertelfinale einzieht.
       
       12 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eren Caylan
       
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