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       # taz.de -- Kontroverse um Wandbild in Tegel: Traumatische Pfeile
       
       > Eine Kiez-Initiative nimmt Anstoß an einer Fassadenmalerei eines
       > spanischen Künstlers. Angeblich verstört sie Kinder und Flüchtlinge.
       
   IMG Bild: „Die Farbigkeit des Werks ist typisch für Borondo“ (O-Ton Gewobag)
       
       Der Horror! Das Grauen! Blut, Tod, Gewalt! Überfliegt man die Meldungen,
       die uns in den letzten Tagen aus dem Ortsteil Tegel-Süd erreichen, könnte
       der Eindruck entstehen, dort würden satanische Messen gefeiert. Aber weit
       gefehlt: Was von einigen Anwohnern und der [1][Kiez-Initiative „I love
       Tegel“] angeprangert wird, ist ein Wandbild, das die
       Wohnungsbaugesellschaft Gewobag beim angesagten spanischen Street-Artisten
       Gonzalo Borondo in Auftrag gegeben hat. Es ist Teil des Kunstprojekts
       „Artpark Tegel“, das einmal sieben großformatige Werke umfassen und die
       öden 14-Geschosser ein bisschen interessanter machen soll.
       
       Das ist Borondo durchaus gelungen. Der Künstler hat einen
       flächig-schwungvollen, wenn auch düsteren Stil, und er weiß Formate
       geschickt auszunutzen. Auf der schmalen, zweigeteilten Fassade sieht man
       links ein Mädchen, das sich an die Hauskante lehnt, als ob es beim
       Versteckspiel zählen muss. Rechts leuchtet matt eine rote Sonne auf einen
       verschneiten Wald, und weit hinten erkennt man einen spärlich bekleideten
       Mann, der, von Pfeilen durchbohrt, an einem Baum lehnt.
       
       „Brutal“ findet Felix Schönebeck von „I love Tegel“ das Bild. Die
       Erzieherinnen einer Kita hätten sich, besorgt über den „negativen Einfluss“
       des Gemäldes, an ihn gewandt, berichtet er und erhebt mahnend die
       vermeintliche Stimme der Vernunft: „Diese Art von Kunst hat nach Auffassung
       der meisten hier in einem Wohngebiet nichts zu suchen!“ Im Übrigen sei ganz
       in der Nähe eine Flüchtlingsunterkunft geplant, da drohe eine
       Retraumatisierung.
       
       Kunst, zumal im öffentlichen Raum, war schon immer Geschmackssache. Man
       kann sich aber auch in die Ablehnung hineinsteigern. Dann sieht man – so
       wie Schönebeck es phantasievoll ausmalt – Blut vom Körper des Mädchens
       triefen, wo der Maler wohl nur in künstlerischer Freiheit den Faltenwurf
       des Kleids mit rötlichen Strichen betont hat. Und die Blutlache, in der das
       Kind angeblich steht, entpuppt sich bei längerer Betrachtung doch eher als
       farbiger Fliesenboden.
       
       ## Aufrecht und stark
       
       Was die vom Protest aufgescheuchte Gewobag selbst an Interpretationshilfen
       anbietet, ist nicht unbedingt besser: „Das kleine Mädchen steht
       sinnbildlich für ein Flüchtlingskind, es schaut in einen verschlossenen
       Raum und sieht Hoffnung – auch wenn die Landschaft auf den ersten Blick
       nicht hoffnungsvoll wirkt. Denn das Kind sieht einen Menschen, der – obwohl
       von Pfeilen getroffen – aufrecht steht und stark ist.“ Na ja, hm,
       vielleicht doch noch mal das Bild anschauen.
       
       Ein bisschen peinlich wird es übrigens dann, wenn der Jung-Christdemokrat
       Schönebeck nicht erkennt, dass es sich bei dem Pfeildurchbohrten nicht um
       irgendeinen Halbnackten handelt – sondern um die an klassische
       Darstellungen angelehnte Figur des [2][Heiligen Sebastian]. Merke: Ein
       bisschen Allgemeinbildung ist keine Kunst.
       
       22 Jun 2016
       
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