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       # taz.de -- Westbalkan und Asylpaket: Arbeitsvisa nur selten ausgestellt
       
       > Für Bewerber vom Westbalkan sollte die Ausstellung eines Arbeitsvisums in
       > Deutschland erleichtert werden. Doch die bürokratischen Hürden sind hoch.
       
   IMG Bild: August 2015: Flüchtlinge vom Westbalkan in einer Turnhalle in Eisenhüttenstadt
       
       Berlin taz | 20.000 Menschen aus den Westbalkanstaaten könnten pro Jahr ein
       Arbeitsvisum für Deutschland erhalten, kündigte Bundesarbeitsministerin
       Andrea Nahles (SPD) im Herbst 2015 an. Damals wurde eine Neuregelung für
       Arbeitsvisa verabschiedet.
       
       Die Realität sieht anders aus: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres
       wurden bislang in den deutschen Botschaften der Balkanländer erst 4.500
       Visa für Jobzuwanderer aus Albanien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina,
       Mazedonien, Serbien und Montenegro ausgestellt. Diese Zahl gab das
       Auswärtige Amt auf taz-Anfrage bekannt.
       
       Der neue Weg der Arbeitsmigration für die Balkanstaaten war mit dem
       Asylpaket Ende vergangenen Jahres geschaffen worden. Parallel dazu wurden
       die Asylchancen für Zuwanderer aus diesen Ländern drastisch beschnitten, da
       die sechs Balkanstaaten seitdem als „sichere Herkunftsländer“ gelten.
       
       Die Regelung zu den neuen Arbeitsvisa wandte sich vor allem an
       Asylsuchende, die zwischen Januar und Oktober 2015 gekommen waren. Wer
       spätestens bis zum 4. Mai 2016 wieder freiwillig ausreiste, sollte die
       Möglichkeit für einen Antrag auf ein Arbeitsvisum vom Heimatland aus
       bekommen. 132.933 Personen aus Albanien, Kosovo, Serbien und Mazedonien
       stellten im vergangenen Jahr Asylanträge in Deutschland. Die
       Anerkennungsquote geht gegen null.
       
       ## Erst Bürokratie, dann Visum
       
       Die bürokratischen Hürden für die Arbeitsvisa sind allerdings hoch. Wer als
       Arbeitsmigrant aus diesen Staaten über die Neuregelung nach Deutschland
       kommen will, braucht ein verbindliches schriftliches Arbeitsplatzangebot
       oder bereits einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit einem hiesigen
       Arbeitgeber.
       
       Der Arbeitgeber wiederum muss die Zustimmung zur Arbeitsaufnahme bei der
       Bundesagentur für Arbeit einholen, denn für diese Stelle darf kein
       EU-Bürger oder Deutscher zur Verfügung stehen – das besagt die
       „Vorrangprüfung“. Der Verdienst darf nicht niedriger sein als bei einem
       vergleichbaren Arbeitnehmer in Deutschland. Bei früheren Aufenthalten der
       Bewerber in Deutschland muss der Arbeitgeber auch noch die Zustimmung der
       zuständigen Ausländerbehörde einholen.
       
       Erst wenn alle Unterlagen beisammen sind, gibt es einen Termin für das
       Visum bei der Botschaft im Heimatland. Familienangehörige können mitziehen
       – aber nur, wenn deren Wohnraum und Lebensunterhalt durch Eigenleistungen
       gesichert sind.
       
       „Wir haben Sonderregelungen für eine nicht an den Bedürfnissen des
       Arbeitsmarkts orientierte Zuwanderung aus den Westbalkanstaaten von Anfang
       an kritisch gesehen“, erklärte ein Sprecher der Bundesvereinigung der
       Arbeitgeberverbände auf Nachfrage. Die Bundesvereinigung fordert, beruflich
       Qualifizierte in einem Mangelberuf zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland
       kommen zu lassen, auch ohne bereits bestehende konkrete Arbeitsplatzzusage.
       Der Vorschlag würde allerdings vielen geringer Ausgebildeten nicht helfen.
       
       21 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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