# taz.de -- Verschärftes Asylgesetz in Schweden: Trennung verfolgter Familien
> Schweden plant ein Asylrecht, das Familiennachzug erschweren und
> Aufenthalt beschränken soll. Ein „Scheißgesetz“, sagt die Linkspartei.
IMG Bild: November 2015: Schwedische Polizisten holen an der Grenze Flüchtlinge ohne Papiere aus dem Zug
Stockholm taz | „Ihr habt Blut an den Händen“ stand auf einem Plakat,
„Schande!“ auf einem anderen. Dem Protestaufruf vor dem Reichstag in
Stockholm, zu dem Flüchtlings- und Kinderhilfsorganisationen, die
schwedische Kirche, das Rote Kreuz und andere aufgerufen hatten, waren am
Dienstag Hunderte DemonstrantInnen gefolgt. Ihr Protest galt einem Gesetz,
das zeitgleich im Parlament verhandelt wurde und das Asylrecht weiter
verschärft.
Mehrheitlich verabschiedeten die Abgeordneten der rot-grünen
Regierungsparteien zusammen mit den Konservativen und den
rechtspopulistischen Schwedendemokraten eine Gesetzänderung, mit der sich
Schweden laut Regierungschef Stefan Löfven „auf dem Minimumniveau der Asyl-
und Flüchtlingspolitik in der EU positioniert“.
Mit der Neuregelung, die am 20. Juli in Kraft tritt, wird vor allem die
bislang dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für anerkannte Asylsuchende auf
drei Jahre beschränkt, der Familiennachzug so erschwert, dass nach
Einschätzung der Kinderhilfsorganisation Rädda Barnen nun zwei Drittel
aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auch nach Erhalt eines
Bleiberechts erst einmal ihre Eltern und Geschwister nicht nachkommen
lassen können.
Schweden könne es sich nicht leisten, großzügiger als andere EU-Länder zu
sein, begründete Justiz- und Migrationsminister Morgan Johansson die
„notwendigen und vorbeugenden“ Verschärfungen, ansonsten laufe man Gefahr,
in eine ähnliche Situation wie im vergangenen Jahr zu geraten. 2015 waren
163.000 Asylsuchende nach Schweden gekommen, in Relation zur Einwohnerzahl
so viele wie in keinem anderen EU-Land. Nach der Einführung von
Grenzkontrollen war diese Zahl seit Jahresbeginn massiv gesunken, derzeit
stellen im Schnitt nur noch 60 bis 70 Flüchtlinge pro Tag einen Asylantrag,
so wenig wie seit fünf Jahren nicht mehr.
## Auch andere Länder sollen handeln
Diese aktuellen Zahlen spielten keine Rolle, erklärte Johansson.
Ministerpräsident Löfven verteidigte die Neuregelung: „Wir wollen damit
auch erreichen, dass andere Länder mehr tun.“ Formal soll die jetzige
Regelung zunächst bis 2019 gelten, mehrere PolitikerInnen kündigten bereits
an, ein Zurück zur Asylpolitik der Vergangenheit werde es nicht geben.
Neben der Linkspartei stimmte die liberale Zentrumspartei gegen die
Verschärfungen, Christdemokraten und Liberale enthielten sich. Kritisiert
wurde von diesen vor allem, dass die schwedische Politik die Integration
erschwere und zu einer dauerhaften Trennung von Familien führe, was gegen
die UN-Kinderrechtskonvention verstoße.
Christina Höj Larsen, Abgeordnete der Linkspartei, sprach von einem
„Scheißgesetz“ und einer „Schande“, und die Zentrumsparlamentarierin
Johanna Jönsson kritisierte es als „höchst inhuman“, verfolgten Familien
kein Zusammenleben zu ermöglichen.
Schweden steht mit den Verschärfungen in Nordeuropa nicht allein. Auch in
Finnland, Norwegen und Dänemark sind Maßnahmen zur Bleiberechtsbegrenzung
und zur Einschränkung des Angehörigennachzugs beschlossen oder in
Vorbereitung.
22 Jun 2016
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DIR Reinhard Wolff
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