URI: 
       # taz.de -- Sitzstreik gegen die Waffenlobby
       
       > USA Die Demokraten versuchen, eine Debatte über schärfere Waffengesetze
       > zu erzwingen
       
       AUS WASHINGTON Frank Herrmann
       
       Nach durchwachter Nacht reden sie am Morgen noch immer: demokratische
       Abgeordnete wie John Garamendi, ein Kalifornier aus Yuba City. Mit rot
       geränderten Augen und brüchiger Stimme hielt Garamendi ein flammendes
       Plädoyer für strengere Waffengesetze, für einen Moment politischer
       Besinnung, nachdem die USA mit dem Massenmord in einem Homoclub in Orlando
       eines der schlimmsten Schusswaffenmassaker ihrer Geschichte zu verzeichnen
       hatten.
       
       Es begann am Mittwoch gegen 11.15 Uhr (Ortszeit), als sich abzeichnete,
       dass die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus ein Votum über
       schärfere Waffengesetze auf absehbare Zeit nicht zulassen wird. Statt klein
       beizugeben, beschloss die Fraktion der Demokratischen Partei, den Sprecher
       des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, einen Republikaner, mit einer Blockade
       zu ärgern.
       
       Im Senat, der kleineren Kammer, kann man dies mit einer Marathonrede
       (Filibuster) tun, das Abgeordnetenhaus dagegen kennt ein solches Instrument
       nicht. Man werde den Saal so lange besetzen, bis endlich gehandelt werde,
       gab John Lewis, ein Veteran der Bürgerrechtsbewegung, das Signal zum
       Sit-in.
       
       Der 76-Jährige Lewis aus Georgia ist so etwas wie die moralische Instanz
       des Kongresses. Einst ein Weggefährte des Predigers Martin Luther King,
       marschierte er 1965 über die Edmund-Pettus-Brücke in Selma, um gegen die
       Spielchen zu protestieren, mit denen weiße Südstaatler das theoretisch
       garantierte gleiche Wahlrecht für schwarze Amerikaner auszuhebeln
       versuchten.
       
       Und als Ryan gegen zehn Uhr abends seinen Hammer aufs Pult sausen ließ, um
       die Sitzung für beendet zu erklären, quittierten es die Streikenden mit
       einem Sprechchor. „No bill! No break!“: Das soll bedeuten, dass die
       Legislative nicht in die Kurzferien zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli
       entlassen werden, ehe sie sich nicht mit dem Thema Schusswaffen beschäftigt
       hat.
       
       Einmal mehr illustriert die spektakuläre Aktion, wie sehr der Streit über
       strengere Gesetze die Legislative polarisiert. Die Demokraten, zumindest
       eine Mehrheit der Partei, wollen das Repräsentantenhaus über Gesetzentwürfe
       debattieren lassen, die zumindest so etwas wie ein Signal zur Umkehr
       bedeuten. Wenigstens sollen Personen, die wegen Terrorverdachts in kein
       Flugzeug einsteigen dürfen, daran gehindert werden, Waffen zu kaufen.
       
       Louie Gohmert, ein Republikaner aus Texas, sieht das anders. „Redet lieber
       über den radikalen Islam“, rief er, als er wutentbrannt auf die Streikenden
       zustürmte und es in der Nacht zum Donnerstag für ein paar Sekunden so
       aussah, als könnte das Parlament zum Schauplatz einer wilden Rangelei
       werden.
       
       24 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Herrmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA