# taz.de -- Mutmaßliche illegale Rückführungen: Bundesregierung weiß von fast nichts
> Hat Griechenland Bootsflüchtlinge zurückgedrängt und gegen UN-Recht
> verstoßen? Die Bundesregierung hat Schiffe vor Ort, aber keine
> Informationen.
IMG Bild: Kann nicht alles sehen: Bundeswehr-Soldat in der Ägäis
Berlin taz | Schiffe von Bundeswehr und Bundespolizei beobachten seit
Monaten Flüchtlingsboote in der Ägäis. Von einer [1][mutmaßlichen illegalen
Rückführung] in der vergangenen Woche haben die Besatzungen laut
Regierungsangaben aber nichts mitbekommen. Auch stellte die Bundesregierung
keine Fragen an die griechische Küstenwache oder die EU-Grenzagentur
Frontex, nachdem der Vorfall bekannt wurde.
„Die Bundeswehr hat keine Erkenntnisse über den Vorgang. Soweit ich die
Medienberichte verstehe, haben die Bundeswehr und die Nato da gar keine
Rolle gespielt“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am
Freitag.
„Bei mir liegen auch keine über die Medienberichte hinausgehenden
Erkenntnisse vor“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die EU,
Griechenland und die Türkei würden die Bundesregierung laufend über die
Umsetzung des gemeinsamen Flüchtlingsabkommens informieren. Daher bedürfe
es auch „gar keines aktiven Informationsverlangens, um über solche
Sachverhalte aufgeklärt zu werden.“ Sprich: Die Bundesregierung wartet ab,
bis die beteiligten Behörden von sich aus nach Berlin berichten.
## Hat Frontex zugesehen?
Nach Angaben betroffener Flüchtlingen griff die griechische Küstenwache am
Freitag vergangener Woche 53 Menschen auf einem Schlauchboot auf – in
griechischen Gewässern. Anstatt sie zunächst auf griechische Inseln zu
bringen, wie es das internationale Recht vorsieht, hätten die Beamten sie
kurz darauf unter Gewaltandrohung an ein Schiff der türkischen Küstenwache
übergeben. Diese habe sie sofort zurück ans türkische Festland gebracht.
Fotos der Betroffenen stützen die Angaben und zeigen zudem, dass sich in
Sichtweite der Aktion ein Frontex-Schiff befand.
Solche sogenannten „Pushback-Aktionen“ sind illegal. Auch für den
Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei gelten die Regeln der
UN-Flüchtlingskonvention: Ohne individuelles Asylverfahren darf kein
Flüchtling aus Griechenland zurück in die Türkei abgeschoben werden. Wer in
griechischen Gewässern aufgegriffen wird, muss für sein Verfahren auf die
griechischen Inseln gebracht werden – auch wenn seine Chancen auf Asyl dort
relativ gering sind.
Die Bundespolizei stellt Frontex derzeit zwei Boote samt Besatzung zur
Verfügung, um gemeinsam mit der griechischen Küstenwache die
Hoheitsgewässer in der Ägäis zu überwachen. Die Bundeswehr hat ein Schiff
in der Region im Einsatz. Im Auftrag der Nato beobachtet es
Flüchtlingsbewegungen zwischen der Türkei und Griechenland und meldet sie
an die Küstenwachen beider Länder.
## Grenzagentur prüft den Fall
Frontex prüft den Vorfall aus der vergangenen Woche derzeit und hat dafür
bereits mit Vertretern der griechischen Küstenwache gesprochen.
Ruben Neugebauer, Sprecher der Hilfsorganisation Sea Watch, hält die
Angaben der Betroffenen für plausibel. Weil nach dem EU-Türkei-Deal die
Zahl der Flüchtlinge in der Ägäis gesunken sei, hätten viele Organisationen
ihre teuren Einsätze in der Region beendet. „Wir haben selbst festgestellt,
dass der Ton der Frontex-Leute wieder rauer wird, seitdem das Auge der
Zivilgesellschaft nicht mehr so sehr auf der Ägäis liegt“, sagt er. Über
den konkreten Fall habe jedoch auch seine Organisation keine eigenen
Informationen.
17 Jun 2016
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DIR Tobias Schulze
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