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       # taz.de -- Kommentar Doping-Sperre für Russland: Unglaubwürdige Saubermänner
       
       > Der Ausschluss russischer Sportler mag richtig sein, aber wird hier nicht
       > mit zweierlei Maß gemessen? Anderswo ist die Dopingbekämpfung ähnlich
       > lächerlich.
       
   IMG Bild: Der russische Geher Sergey Kirdyapkin während des 50-Kilometer-Wettbewerbs bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London
       
       Wie es aussieht, werden russische Leichtathleten nicht antreten dürfen bei
       den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro. Der Internationale
       Leichtathletik-Verband IAAF hat am Freitagabend die Sperre des russischen
       Verbandes verlängert. Es ist ein Paukenschlag in der Arena des Sports, ein
       Präzedenzfall ist es freilich nicht, denn bereits im Herbst des vergangenen
       Jahres wurde der bulgarische Gewichtheberverband von den Spielen
       ausgeschlossen, nachdem elf Heber aus dem Balkanstaat innerhalb kurzer Zeit
       positiv auf Dopingmittel getestet worden waren.
       
       Dass die Suspendierung der Russen jetzt ungleich mehr Aufmerksamkeit
       erregt, hat mit dem Anspruch der Russen zu tun, am großen Rad der
       Geopolitik zu drehen. Sie haben den Sport wiederentdeckt als ein Mittel der
       strategischen Auseinandersetzung und entsprechende Maßnahmen ergriffen,
       damit die Botschafter im Trainingsanzug als Sieger nach Russland
       zurückkehren. Doping gehörte dazu, aber auch dreiste Versuche der
       Vertuschung, wie sie wohl im Dopingkontrolllabor bei den Winterspielen 2014
       in Sotschi stattgefunden haben. Während über letzteren Coup des
       Geheimdienstes FSB ein abtrünniger Funktionär berichtete, sind Dutzende
       Dopingfälle in den vergangenen Jahren belegt, ebenso wie Vergehen von
       verantwortlichen Leichtathletiktrainern und Funktionären.
       
       Journalisten aus dem Westen und später auch die Welt-Antidopingagentur
       Wada, deren Sitz in Kanada ist, haben nachgewiesen, dass es im großen Reich
       des Wladimir Putin und seines Sportministers Witali Mutko zumindest in der
       Leichtathletik so etwas wie Staatsdoping gibt: ein System der gesteuerten
       Planung und Durchführung des Betrugs. So etwas hat es zuletzt in den
       Staaten des Ostblocks vor 1989 gegeben.
       
       An diese unheilvolle Zeit scheint der russische Sport anzuknüpfen, dennoch
       ist der Ausschluss der Leichtathleten problematisch, weil er saubere
       Athleten – ja, auch die mag es in Russland geben – in Geiselhaft nimmt. Sie
       müssen büßen für die Maßlosigkeit und Skrupellosigkeit anderer. Das
       Sportrecht, das mitunter ein sehr grobschlächtiges Recht ist, lässt so
       etwas zu. Es lässt auch zu, dass der Sportler im Fall eines Dopingbefundes
       seine Unschuld beweisen muss. Es herrscht die Umkehr der Beweislast. Im
       Strafrecht wäre so etwas nicht möglich.
       
       Russische Leichtathleten werden nun kollektiv bestraft. Zur Anwendung kommt
       keine wirklich liberale Rechtsnorm. Hier wird pauschal geurteilt. Aber der
       russische Verband hat es sich selbst zuzuschreiben. Wenn man sich allein
       die Sparte der russischen Geher anschaut, dann darf man den
       Dopingmissbrauch für eine fest verwurzelte Tradition im russischen
       Ausdauersport halten. Es wurde getrickst und die Öffentlichkeit für dumm
       verkauft – nicht nur die des Westens. Auch die Russen sollten sich betrogen
       fühlen, doch an der Moskwa blühen derzeit fast nur Verschwörungstheorien.
       
       Der Ausschluss der russischen Leichtathleten mag notwendig sein, er wirkt
       aber nur dann glaubwürdig, wenn ihm andere Schritte folgen. In vielen
       Ländern, genannt seien nur Kenia oder Jamaika, ist das Niveau der
       Dopingbekämpfung lächerlich. Athleten dutzender Staaten erscheinen gar
       nicht erst auf dem Radar der Fahnder, andere wissen mit Knowhow und Chuzpe
       den Kontrollen zu entgehen. Wenn sich jetzt die Leute der IAAF und der Wada
       als Saubermänner feiern lassen, die die bösen Triebe des Sports ausmerzen,
       dann sollte man genau hinschauen, ob sie bei anderen Verbänden und Nationen
       mit gleicher Elle messen.
       
       18 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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