URI: 
       # taz.de -- In Äthiopien droht eine Hungersnot: Eine „vergessene Katastrophe“
       
       > Die Dürre hat den Hunger zurück nach Äthiopien gebracht. Mehr als zehn
       > Millionen Menschen brauchen dringend Nahrungsmittel. Doch für Hilfe fehlt
       > das Geld.
       
   IMG Bild: Auch Trinkwasser ist knapp. Es muss mit Lastwagen angeliefert werden.
       
       Addis Abeba dpa | Wegen der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten brauchen
       über zehn Millionen Äthiopier Hilfsorganisationen zufolge dringend mehr
       Hilfe. „Äthiopien gehört momentan zu den vergessenen Katastrophen unserer
       Zeit“, sagte die Geschäftsführerin der [1][Hilfsorganisation Plan
       Deutschland], Maike Röttger, im Juni während eines Besuchs in dem
       ostafrikanischen Land.
       
       Zunächst müsse eine Hungersnot verhindert werden, forderte Röttger. Dann
       brauche Äthiopien langfristige Unterstützung, um sich wegen des
       Klimawandels besser auf extreme Wetterbedingungen wie wiederholte
       Dürreperioden vorzubereiten. „Die Menschen brauchen Hilfe, um
       widerstandsfähiger zu werden“, sagte Röttger.
       
       Den Vereinten Nationen zufolge werden dieses Jahr etwa 2,2 Millionen Kinder
       unter fünf Jahren mangelernährt sein, 450.000 äthiopische Kinder brauchen
       deswegen medizinische Behandlung. Etwa 10,2 Millionen Menschen sind demnach
       in diesem Jahr zum Überleben auf internationale Hilfe angewiesen. Die
       äthiopische Regierung versorgt zudem bereits acht Millionen Bürger mit
       Nahrungsmitteln.
       
       Die Dürre im Norden und Osten des Landes wurde Experten zufolge vom
       globalen Klimaphänomen El Niño ausgelöst. Bis zum Beginn der nächsten Ernte
       im September wird sich die Hungerkrise wohl noch weiter zuspitzen.
       
       ## Synonym für Hungersnöte
       
       Äthiopien wurde Mitte der 1980er Jahre zum Synonym für Hungersnöte.
       Schätzungen zufolge kamen damals Hunderttausende ums Leben. Fotos von
       ausgemergelten, apathischen Menschen und Kindern mit Hungerbäuchen gingen
       um die Welt. Das weltweite Entsetzen führte unter anderem zu dem von
       Musiker Bob Geldof angeschobenen historischen Live Aid Konzert im Juli
       1985. Auf Bühnen in Philadelphia (USA) und London traten die
       internationalen Topstars der damaligen Musikszene auf – insgesamt sollen
       mehr als 100 Millionen Euro Spendengelder eingenommen worden sein.
       
       Die damals in Äthiopien regierende kommunistische Militärdiktatur wurde
       1991 gestürzt. Seither bemüht sich die autokratische Regierung des Landes
       darum, das Image als „Hungerland“ abzuschütteln. Sie versucht die
       Berichterstattung über die Hungerkrise zu unterdrücken.
       
       Die Regierung will Äthiopien als wirtschaftlich aufstrebendes
       Entwicklungsland mit Wachstumsraten von rund zehn Prozent wahrgenommen
       sehen. Millionen hungrige Menschen passen da schlecht ins Bild. Doch das
       Land ist angesichts des Ausmaßes der Katastrophe überfordert.
       
       ## Bekämpfung von Fluchtursachen
       
       In Deutschland werde die Dürre-Katastrophe auch angesichts der
       Flüchtlingskrise kaum wahrgenommen, sagte Röttger. Doch dies sei sehr
       kurzfristig gedacht. „Was die Weltgemeinschaft hier macht, ist die
       Bekämpfung von Fluchtursachen.“ Momentan fliehe noch kaum jemand aus
       Äthiopien nach Europa, aber dies könne sich bei einer Verschlechterung der
       Lage schnell ändern. „Vielleicht in zwei bis drei Jahren – die Mobilität
       steigt weltweit“, sagte Röttger.
       
       In diesem Jahr werden zur Bekämpfung der Dürrekrise den UN zufolge
       mindestens 1,5 Milliarden Dollar benötigt. Bis Mitte Mai wurden jedoch von
       Äthiopien und internationalen Gebern – allen voran die USA, die EU und
       Großbritannien – erst 830 Millionen Dollar bereitgestellt. Es fehlen also
       noch rund 45 Prozent.
       
       Schauspielerin Natalia Wörner, eine Botschafterin der Organisation
       Kindernothilfe, zeigte sich nach einem Besuch in den Dürregebieten
       erschüttert. Die Reserven der Menschen seien in vielen Landesteilen nach
       fast zwei Jahren ohne Regen einfach aufgebraucht. „Wir haben unter anderem
       mit Eltern gesprochen, deren Kinder gestorben sind, weil sie einfach nichts
       zu essen hatten und verdrecktes Wasser trinken mussten“, sagte Wörner.
       
       Die Menschen hoffen nun auf die im Juli beginnende Regenzeit, damit sie im
       September ernten können. „Wenn es jetzt nicht anfängt zu regnen, dann
       potenziert sich diese Krise. Dann wird absolute Verzweiflung um sich
       schlagen“, warnte Röttger.
       
       20 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.plan.de/patenschaft-afrika/patenschaft-aethiopien.html
       
       ## TAGS
       
   DIR Äthiopien
   DIR Hungersnot
   DIR El Niño
   DIR Dürre
   DIR Hungersnot
   DIR Äthiopien
   DIR Äthiopien
   DIR Äthiopien
   DIR Klima
   DIR Äthiopien
   DIR Somalia
   DIR Afrika
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Frühwarnsystem gegen Ernährungskrisen: Das Geschäft mit dem Hunger
       
       Oft tragen Spekulanten am hohen Preis für Reis, Weizen und Soja eine
       Mitschuld. Nun wurde ein Warnsystem gegen Hungersnöte entwickelt.
       
   DIR Kommentar Beziehung zu Äthiopien: Partner mit blutigen Händen
       
       Auf Äthiopien, einen der am besten funktionierenden Staaten Afrikas, kann
       Europa strategisch setzen. Aber sollte es das auch tun?
       
   DIR Unruhen in Äthiopien: Mit Gewalt gegen die „Feinde“
       
       Das Blutvergießen in Äthiopien geht weiter: Rund 100 Menschen sollen bei
       der Niederschlagung von Protesten getötet worden sein.
       
   DIR Unruhen in Äthiopien: Stilles Land in Aufruhr
       
       Nach Jahren rasanter Entwicklung regt sich Unmut gegen die autoritäre
       Regierung in Äthiopien. Bei „inoffiziellen Protesten“ gab es viele Tote.
       
   DIR Klimawandel sorgt für Rekordhitze: Es wird zu viel richtig Sommer
       
       2015 war weltweit das heißeste Jahr seit Menschengedenken. 2016 wird noch
       heißer. Was dahintersteckt.
       
   DIR Lebensmittelkrise in Äthiopien: Wo grüne Weiden verdorren
       
       Das Land prosperiert, dennoch sind Millionen Menschen vom Hunger bedroht.
       Das liegt nicht nur am Klima, sondern auch an politischen Fehlern.
       
   DIR Südsudan und Somalia: UN warnen vor Hungerkatastrophe
       
       Ein Viertel der Menschen im Südsudan ist von Hunger bedroht. In Somalia
       gelten mehr als 300.000 Kinder als gefährlich unterernährt.
       
   DIR Kolumne Afrobeat: Tod ohne Trauer
       
       Beim Jahrestag der Gründung der African Union feiern sich die Politiker
       Afrikas selbst – und ignorieren die Flüchtlinge, die jeden Tag sterben.
       
   DIR Allianz für Ernährungssicherheit: Langfristig mehr Hunger
       
       Agrarkonzerne und G-8-Staaten sorgen dafür, dass Bauern in Afrika kein
       kostenloses Saatgut mehr bekommen. Nur Investitionen werden versprochen.
       
   DIR Äthiopien nach dem Tod des Herrschers: Jenseits von Hunger und Demokratie
       
       Meles Zenawi hat Äthiopien modernisiert. Doch trotz Wirtschaftswachstum ist
       der Staat sehr traditionell. In Staat, Kirche und Armee sind Machtkämpfe
       möglich.
       
   DIR Äthiopien: Besuch in einem Vorzeigedorf: Der kluge Bauer
       
       Mithilfe des Welternährungsprogramms bekämpfen äthiopische Bauern die
       Erosion ihres Bodens. Mit Erfolg. Der Grundwasser- spiegel steigt, Obst und
       Gemüse gedeihen.