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       # taz.de -- Ausgezeichnete Autorin: „Schreiben ist vor allem Warten“
       
       > Die Hamburgerin Sabine Peters bekommt den Italo-Svevo-Preis verliehen.
       > Sie erzähle auf Augenhöhe ihrer Figuren, heißt es in der Begründung.
       
   IMG Bild: Hat beim Schreiben einen kühlen Blick: Die Autorin Sabine Peters
       
       HAMBURG taz | Der Vormittag ist die heilige Zeit von Sabine Peters. Die
       Ablenkungen des Alltags – die Arzttermine, die Bücher, die zu rezensieren
       sind, die Volkshochschulkurse, die sie gibt – versucht sie dann so weit wie
       möglich auszuklammern und entwirft in ihrer Altbauwohnung im Hamburger
       Stadtteil St. Georg die Geschichten ihrer Figuren, bis sich daraus eine
       Erzählung und schließlich ein Roman formt.
       
       Dieter, Hausmeister der Flottbeker Villen, Vera, die mal linkspolitisch
       engagiert war und jetzt überengagierte und leicht frustrierte Hausfrau,
       Mutter und Anwaltsgemahlin ist, Gerlinde, die Bibliothekarin und heimliche
       Herrin der Bücherhallen: In „Narrengarten“, ihrem letzten, 2013
       veröffentlichten Roman skizziert Sabine Peters ein Panorama lose
       miteinander verzahnter Figuren, die das Glück suchen oder gesucht haben, es
       gefunden oder verloren haben und die Dinge alles in allem heiter und
       lakonisch sehen.
       
       „Ich kenne sehr unterschiedliche Leute aus sehr unterschiedlichen
       Schichten“, sagt die 55-Jährige. „Aber ich nehme nicht alle meine Figuren
       aus dem Leben.“ Es sind oft kleine Erlebnisse oder Erfahrungen, die sie
       verlocken würden, loszuschreiben: „Und wenn eine Figur erst mal auf zwei
       Beinen läuft, liegt es ja nahe, zu fragen: Wo kommt die denn her, wie ist
       das Umfeld, brauche ich aus Gerechtigkeitsgründen ein Gegenbild, das die
       Person noch aus einer anderen Perspektive beschreibt. So entwickelt sich
       ein Puzzlespiel.“ Und dafür nimmt sie sich Zeit: „Schreiben ist vor allem
       Warten. In Zeiten des Innehaltens passiert nicht nichts. Eine lange Weile
       haben, das ist mir wichtig.“ Gut kann sie sich noch daran erinnern, wie
       wohltuend sie es als Kind fand, im Sandkasten zu sitzen und den Sand beim
       Rieseln zu beobachten.
       
       Für ihr Werk, vom Debütroman „Der Stachel am Kopf“ (1990) über „Nimmersatt“
       (2010) oder „Singsand“ (2006), hat sie zahlreiche Preise wie den
       Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb, den Clemens-Brentano-Preis oder den
       Georg-K.-Glaser-Preis erhalten. Am 21. Juni wird sie im Literaturhaus den
       Italo-Svevo-Preis entgegennehmen, der Autoren verliehen wird, denen es nach
       Auffassung der Juroren noch an gebührender Aufmerksamkeit mangelt.
       
       ## Aus der Einsamkeit Ostfrieslands
       
       So nüchtern und zurückhaltend sie schreibt, sieht sie auch ihre Situation
       als Autorin: „Ich vermeide, darüber nachzudenken, in welcher Liga ich
       spiele. Verglichen mit tausenden von anderen Schreibern habe ich es
       wirklich gut.“ Man glaubt ihr, dass die Eitelkeiten des Literaturbetriebes
       die zierliche Frau mit dem neugierigen Blick nicht interessieren. Zwanzig
       Jahre hat sie in der Einsamkeit Ostfrieslands gelebt, zunächst dank eines
       Literaturförderpreises der Kulturbehörde 1987. Eigentlich war Peters aus
       Süddeutschland nach Hamburg gezogen, um Lehrerin zu werden, machte dann ein
       Praktikum beim Rotbuch-Verlag und bewarb sich „in einem Anfall von
       Verzweiflung“ bei der Kulturbehörde, als sie sah, dass der Beruf der
       Lektorin auch nichts für sie war.
       
       Sie wurde gefördert, mit 10.000 Mark: „Ich dachte, das ist so viel Geld und
       draußen in Ostfriesland ist das Leben billig, das versucht du mal ein Jahr.
       Und dann kam der Bachmann-Preis und ich hatte einen Verlag.“ Es war aber
       nicht nur das günstige Leben, das Peters nach Friesland zog. Bei ihrem
       Praktikum hatte die damals 26-Jährige den 33 Jahre älteren Schriftsteller
       und Kommunisten Christian Geissler kennengelernt. Mit Geissler lebte sie
       bis 2004 in „einem faustgroßen Haus, kein Zimmer größer als 12m², aber von
       jedem aus konnte man den Mond sehen“.
       
       Auch die Liebe ihres Lebens beschreibt sie in der gewohnt unprätentiösen
       Art: „Ich bin zu meinem Mann gezogen, um das Schreiben und die Liebe
       auszuprobieren, und beides war gut.“ Christian und Sabine tauchen in ihren
       Werken als Rupert und Marie immer wieder auf. Geisslers Krebsleiden und Tod
       beschrieb sie 2010 in „Feuerfreund“: „Es war notwendig, sich zu erinnern,
       aber ich glaube nicht, dass man schreibend etwas verarbeiten kann. Beim
       Schreiben be-arbeitet man etwas.“
       
       ## Deiche, Schafe, Deiche, Schafe
       
       Sorge, dass es ihr auf dem Land an Inspiration fehlen könnte, hatte sie
       nie: „Mein Mann hat manchmal gesagt: Du kannst sämtliche Konflikte der Welt
       in einem Dorf zu fassen kriegen, egal ob es um Liebe, Rache, Armut oder
       Politik geht.“ Manchmal wurde es den beiden selbst im ostfriesischen Dorf
       zu rummelig, dann zogen sie eine Zeit lang in ein abgeschiedenes
       leerstehendes Bauernhäuschen im Norden Portugals. Auch durch Israel sind
       sie gereist, am meisten aber liebt Peters die Niederlande: „Die Weite
       dieser Landschaft ist wunderbar, Wolken, Himmel, Kanäle, Deiche, Schafe,
       Deiche, Schafe.“
       
       Seit 1990 führt sie Notizbücher. „Ich mache das, weil es alltäglich vieles
       gibt, was interessant ist. Die sind nummeriert und datiert, aber wenn ich
       da sitze und denke, da war doch der Waldspaziergang in Edenkoben 1995, bist
       du da nicht durch die Weinanlage gegangen und hast etwas über
       Weinbergschnecken gelernt? – Dann findet man nichts in diesen Notizen.“
       
       Trotzdem hält sie daran fest. „Vielleicht verschrauben sich die
       Beobachtungen durch das Aufschreiben etwas besser im Kopf, und wenn man
       seine begnadeten Stunden hat, kommen sie dann auch wieder hoch.“
       
       ## „Auf Augenhöhe ihrer Figuren“
       
       In der Jurybegründung für den Italo-Svevo-Preis heißt es: „Sabine Peters
       erzählt auf Augenhöhe ihrer Figuren. Wie sie Personen zu Ansehen verhilft
       und Lebenswelten sondiert, erinnert an Anton Tschechows Diktum, dass
       Prosaschreiben zwei Voraussetzungen habe, einen kalten Blick und
       Menschenliebe.“ Peters sagt, sie interessiere der Blick von innen, wenn
       ihre Figuren unverstellt sprechen und zeigen, wie sie sich wirklich fühlen.
       
       „Ja, wir sind peinlich, lächerlich und beschämbar. Wenn das zurechtgebogen
       werden soll in einen gelungenen Catwalk, halte ich das für wenig hilfreich.
       Freundschaft und Liebe sind doch so schön, weil man sich zeigen kann, ohne
       verachtet zu werden.“
       
       Den Italo-Svevo-Preis nimmt Sabine Peters am 21. Juni um 19.30 Uhr im
       Literaturhaus Hamburg entgegen. Die Laudatio hält Holger Helbig. Der
       Eintritt ist frei
       
       20 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Klimpe
       
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