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       # taz.de -- Kommentar Anti-Brexit-Demonstrationen: Daumen hoch statt Kreuzchen machen
       
       > Hätte das Referendum auf Facebook stattgefunden, hätte „Remain“ genügend
       > Likes bekommen. Jetzt sollten alle das Beste aus der Situation machen.
       
   IMG Bild: Viele junge Engländer sind gegen den Brexit, beteiligten sich aber nicht am Referendum
       
       Mehr als 40.000 Menschen haben am Samstag in London [1][gegen das Ergebnis
       des Brexit-Referendums demonstriert]. Mehr als 4 Millionen Menschen
       unterzeichneten [2][eine Onlinepetition, mit der sie die Wiederholung der
       Volksabstimmung fordern]. Es sind vor allem junge Leute, die den Alten
       vorwerfen, dass sie ihnen mit ihrem Votum für den Austritt aus der EU die
       Zukunft verdorben haben.
       
       Sie hätten sich vor dem Volksentscheid an die Geschichte des gläubigen
       Christen erinnern sollen, der Abend für Abend betet, Gott möge ihm einen
       Lottogewinn bescheren. Irgendwann wird es Gott zu bunt, und er antwortet:
       „Gib mir eine Chance. Kauf einen Lottoschein.“ Auf das Brexit-Referendum
       übertragen, heißt das, die jungen Leute hätten das ihnen unangenehme
       Ergebnis verhindern können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, ihre
       Stimme abzugeben.
       
       73 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben für den Verbleib in der EU
       gestimmt. Laut einer Untersuchung der London School of Economics hat fast
       die Hälfte dieser Altersgruppe bei der Verkündung des Ergebnisses geweint.
       Das sind beeindruckende Zahlen. Aber nur 36 Prozent dieser Altersgruppe
       haben überhaupt gewählt – im Gegensatz zu 83 Prozent der über 65-Jährigen.
       War es Faulheit? Immerhin gab es 41.000 Wahllokale, mehr als in den USA.
       Und wem es trotzdem zu umständlich war, hätte an der Briefwahl teilnehmen
       können.
       
       Warum haben sie es nicht getan? Befragungen deuten darauf hin, dass viele
       junge Leute das Wahlverfahren für anachronistisch halten. Mit einem Stift
       ein Kreuz auf einem Blatt Papier machen? Und manche wussten offenbar gar
       nicht, dass es überhaupt noch eine Briefpost gibt. Vielleicht hätte man das
       Referendum über Facebook aufziehen sollen. Dann hätte die EU genügend
       „Likes“ für den britischen Verbleib bekommen.
       
       Natürlich kann man das Volk erneut an die Wahlurne bitten. In Irland haben
       die Politiker es ja bei zwei Referenden über EU-Verträge auch getan, weil
       ihnen das Nein nicht gepasst hatte. Mit einer Wiederholung der
       Brexit-Abstimmung würde die EU allerdings den letzten Rest demokratischer
       Glaubwürdigkeit verlieren. Die britische Anti-Brexit-Bewegung muss mit dem
       Ergebnis leben und das Beste daraus machen. Es wäre ein Anfang, sich dem
       rapide ausbreitenden Rassismus entgegenzustellen.
       
       3 Jul 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Demonstration-in-London-gegen-Brexit/!5318489/
   DIR [2] https://petition.parliament.uk/petitions/131215/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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