URI: 
       # taz.de -- Cannabis als Arzneimittel: Hoher Bedarf wird erwartet
       
       > Ab 2017 sollen Schwerkranke Cannabis-Therapien bekommen. Über die
       > Herausforderungen debattiert die Bundesapothekerkammer.
       
   IMG Bild: Nee nee, nicht zum Kiffen gedacht. Ist reine Medizin
       
       Berlin taz | Es ist noch nicht einmal beschlossen, wird aber schon
       detailreich diskutiert: Ab 2017 sollen Schwerkranke Cannabis zu
       Behandlungszwecken auf Kosten der Krankenkassen erhalten können. Das sieht
       ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor, der
       Anfang Mai vom Kabinett beschlossen worden war. Welche praktischen
       Herausforderungen sich daraus für Apotheker, Ärzte und Patienten ergeben,
       war am Dienstag Thema eines Symposiums der Bundesapothekerkammer (BAK).
       
       Wenn man die alte Heilpflanze Cannabis wieder als Arzneimittel einführen
       wolle, brauche man klare Regeln, sagte BAK-Präsident Andreas Kiefer: „Bei
       Morphium drücken wir dem Patienten ja auch nicht nur die Mohnblüte in die
       Hand.“ Den Eigenanbau schloss er aus „Qualitätsgründen“ aus. Er forderte
       für Apotheker klare Regeln für Rezepturen und Dosierungen. „Deswegen sind
       Joints oder Kekse sind als Arzneimittel ungeeignet“, sagte er.
       
       Hintergrund der Vorsicht sind die Erfahrungen mit aktuellen
       Ausnahmeregelungen: Derzeit gestattet das Betäubungsmittelgesetz, dass
       Schmerzpatienten, bei denen nachweislich keine andere Therapie mehr hilft,
       Cannabis verschrieben werden kann. Dabei entscheiden jedoch nicht Ärzte,
       sondern das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ob
       jemand Cannabis konsumieren darf, obwohl die Behörde den Patienten gar
       nicht kennt.
       
       Über 700 Patienten – vor allem Schmerz-, aber auch ADHS- und
       Tourettepatienten – fallen inzwischen unter diese Ausnahmeregelung. „Wir
       sind der Meinung, dass Ausnahmen keine Dauerlösungen sein können“, sagte
       der Leiter der Bundesopiumstelle im BfArM, Peter Cremer-Schaeffer. Er
       kritisierte, dass die Ärzte Patienten bei ihrer Selbsttherapie nur „still
       begleiten“ könnten. „Das ist absurd und schiebt die Verantwortung den
       Patienten zu.“
       
       Kassen sollen zahlen 
       
       Das neue Gesetz sieht vor, dass Ärzte Cannabisblüten und Cannabisextrakte
       selbst verschreiben dürfen. Um die Kosten von den Krankenkassen erstattet
       zu bekommen, muss der Patient jedoch voll austherapiert sein. Durch das
       neue Gesetz rechnen die Experten mit einem deutlich höheren Bedarf als
       bisher.
       
       Organisieren und kontrollieren soll die Ausgabe von Cannabis künftig eine
       neu geschaffene Stelle innerhalb des BfArM. Diese sogenannte
       „Cannabisagentur“ wird die Pflanzen jedoch nicht selbst anbauen, sondern
       dafür einen Partner suchen.
       
       Da das Gesetz voraussichtlich bereits Anfang 2017 in Kraft treten soll,
       muss Cannabis wohl zunächst importiert werden. Das geschieht bereits, vor
       allem aus Holland. Wie hoch der Bedarf letztlich sein wird, kann niemand
       sagen. In Kanada, wo ein ähnliches Gesetz bereits existiert, betrifft das
       rund 60.000 Patienten.
       
       Für Fußpilz gibt's kein Cannabis 
       
       Cremer-Schaeffer betonte aber, dass in Zukunft genau geprüft werde, wer
       Cannabis als Arzneimittel bekomme: „Nicht jeder mit Fußpilz wird Cannabis
       bekommen. Sondern nur dann, wenn es wissenschaftlich sinnvoll ist.“
       
       Wann eine Cannabis-Therapie medizinisch sinnvoll sein kann, erklärte
       Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. Die
       Organisation hatte schon frühzeitig Gröhes Initiative unterstützt. In
       verschiedenen Studien habe man Aussagen Schäfers zufolge Patienten mit
       Placebo und Cannabis-Präparaten beobachtet. Das Ergebniss: Bei Patienten
       mit Nervenkrankheiten wie Multipler Sklerose oder Spastik verringern sich
       die Schmerzen massiv. Auch bei HIV- und Alzheimer-Patienten traten in
       Studien Verbesserungen auf. Bei Tumorpatienten hingegen konnte keine
       Besserung festgestellt werden. Schäfers Urteil: „Cannabis ist kein
       Wundermittel, aber manchen Schmerzpatienten hilft es.“
       
       22 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Hackenbruch
       
       ## TAGS
       
   DIR Cannabis
   DIR Medizin
   DIR Apotheken
   DIR Cannabis
   DIR Cannabis
   DIR Cannabis
   DIR Cannabis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Cannabis auf Rezept: Agentur soll Qualität sichern
       
       In Deutschland soll medizinisches Cannabis angebaut werden. Die
       Cannabisagentur kontrolliert Anbau, Vertrieb und Abgabe.
       
   DIR Teillegalisierung leichter Drogen: Cannabis für Schwerkranke auf Rezept
       
       Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CSU) passiert das
       Kabinett: Schwerkranke ohne Therapiealternative können Cannabis bekommen.
       
   DIR Kommentar Cannabis-Urteil: Entspannung statt Schmerzen
       
       Das Urteil ist überfällig: Es zeigt die Gesundheitspolitik im Umgang mit
       Schmerzpatienten als von Vorurteilen und Misstrauen geprägt.
       
   DIR Gesetz zu medizinischem Cannabis: Hanf auf Kassenkosten
       
       Der Bundesgesundheitsminister will Kranken Medizinalhanf künftig auf Rezept
       verordnen. Den Eigenanbau lehnt er ab.