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       # taz.de -- Polnische Willkommenskultur: Grenzverkehr der Flüchtlingshelfer
       
       > Ihr Land nimmt kaum Flüchtlinge auf. Deshalb engagieren sich junge Polen
       > in Deutschland.
       
   IMG Bild: Polnische Rechte demonstrieren gegen Flüchtlinge im polnischen Slubice nahe Frankfurt/Oder
       
       Greifswald taz In der Mittagssonne sitzt Bogna Czałczyńska unter einem
       roten Sonnenschirm auf dem Marktplatz in Greifswald. Sie kommt aus der 150
       km entfernten Großstadt Stettin in Polen und spricht kein Deutsch. Aber sie
       ist hier, um Hassan Saleh, einen 24 Jahre alten Syrer, bei der
       Wohnungssuche zu unterstützen.
       
       Czałczyńska gehört zur „Refugees Welcome“-Gruppe in Stettin. Seit November
       2015 besucht sie regelmäßig ein Flüchtlingsheim in Rothenklempenow bei
       Pasewalk im Süden von Vorpommern. Das Heim liegt im Wald, fünf Kilometer
       vom nächsten Supermarkt entfernt, zehn Kilometer vor der polnischen Grenze,
       35 Kilometer von Stettin. „Als die Flüchtlinge im letzten Herbst nach
       Deutschland kamen, nahm der Hass in den polnischen Internetforen und auf
       der Straße zu“, sagt sie. Czałczyńska organisierte Demonstrationen gegen
       Rassismus in Stettin und folgte einer Einladung des Anklamer
       Demokratieladens. „Weil bei uns keine Flüchtlinge ankommen, engagiere ich
       mich eben in Deutschland“, sagt sie.
       
       Bogna Czałczyńska und die anderen aus ihrer Gruppe kommen etwa einmal pro
       Woche nach Rothenklempenow, organisieren gemeinsame Kochabende und haben
       bei einer Spendenaktion in Polen über 40 Fahrräder gesammelt und verteilt.
       Manchmal fahren sie die Flüchtlinge einfach nur in eine größere Stadt. Zu
       einigen der Flüchtlinge, wie zu Hassan Saleh, hält Bogna Czałczyńska auf
       Facebook Kontakt.
       
       Tim Blümel ist Sprecher der Gruppe „Pasewalk hilft!“ und begeistert von der
       Hilfsbereitschaft der Stettiner. „Das Engagement kann man nicht mit Gold
       aufwiegen“, sagt er. Aber wie geht das: Hilfe bei Behördengängen,
       Auseinandersetzung mit dem Asylrecht, ohne Deutsch zu sprechen?“ „Die
       finden immer einen Weg“, sagt er, „und wenn sie nur jemand in Deutschland
       kennen, der wieder jemand kennt.“
       
       ## NPD und Ku-Klux-Klan
       
       Das Dorf Rothenklempenow liegt weit weg von den größeren Städten der
       Region; die NPD holte bei der Landtagswahl 2011 ganz in der Nähe ihr
       Rekordergebnis von 33 Prozent. An Himmelfahrt sollen Männer, die sich im
       Stil des Ku-Klux-Klans maskiert hatten, vor dem Heim gesichtet worden sein.
       
       Bogna Czałczyńska hat in Polen eine Stiftung gegründet, die sich für
       Frauenrechte einsetzt. Nach den Silvesterereignissen in Köln engagierte sie
       eine Tanzlehrerin und probte mit den Flüchtlingen für den „One Billion
       Rising Tag“ gegen Gewalt gegen Frauen die Choreografie zu dem Song „Break
       the chain“. Auf der Internetseite von „Pasewalk hilft!“ kann man sich das
       Video davon ansehen, wie hundert Leute, davon etwa dreißig Flüchtlinge, mit
       rosa Bändern in der Hand im Nieselregen zu lauter Musik tanzen.
       
       „Sie reist mit dem Film in Polen von Frauenkongress zu Frauenkongress“,
       sagt Tim Blümel. Doch sobald es um die politische Situation dort geht,
       vergeht Bogna Czałczyńska das Scherzen. Seit dem Machtwechsel im Herbst
       2015 wurden den meisten Fraueninitiativen im Land alle staatlichen Mittel
       gestrichen, auch ihrer Stiftung. „Diese Regierung ist eine Katastrophe. Ich
       fahre auch nach Rothenklempenow, weil ich mit ihrer Flüchtlingspolitik
       nicht einverstanden bin“, sagt sie.
       
       5 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Lübbert
       
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