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       # taz.de -- Schusssichere Alltagsgegenstände: Ein kugelsicherer Trend
       
       > In den USA finden Hersteller kugelsicherer Alltagsgegenstände immer neue
       > Geschäftsgebiete. Wann sind wir alle bulletproof?
       
   IMG Bild: „From my dead cold hand“ – da hilft nur ein kugelsicherer Sessel
       
       Man kennt die Probleme eines sommerlichen Bürotags. Die Sonne scheint grell
       auf den Bildschirm, der Straßenlärm stört die Konzentrationsfähigkeit, die
       Kaffeefahne aus dem Mund der Chefin macht das Vier-Augen-Gespräch zur Qual.
       Dann kommen Terroristen und ballern wild um sich.
       
       Das Szenario ist zwar nicht realistisch, aber reichlich bedrohlich.
       Deswegen hat der US-amerikanische Hersteller Amulett Ballistic Barriers nun
       die Möglichkeit entwickelt, Bürobedarf so aufzurüsten, dass er vor Schüssen
       schützt: bulletproof office supply. „Schütze die Öffentlichkeit vor der
       Realität unerwarteter Waffengewalt da, wo sie lebt, arbeitet und spielt“,
       nennt Amulett Ballistic Barriers sein Ziel.
       
       Hierfür stellt das Unternehmen kugelsichere Kunststoffplatten her. Die sind
       leicht, dünn und können im Prinzip überall eingebaut werden. Vor allem
       gegenüber Metall sind sie eine weitaus praktischere Alternative.
       
       Das Logo von Amulett Ballistic Barriers ist ein Schild mit der Flagge der
       USA darauf. Davor ein Banner „Made in the USA“. Als sei das Unternehmen den
       heißesten Wünschen republikanischer Hardliner entsprungen: Sie kurbelt die
       heimische Wirtschaft an, schützt vor dem Terrorismus und schürt
       gleichzeitig noch die Furcht davor.
       
       Amulett Ballistic Barriers rühmt sich auf seiner Website mit seinem
       altruistischen Geschäftsmodell: „Versteckte Schutzbarrieren im öffentlichen
       Raum werden einfach zu dringend gebraucht und unsere Sorge um die
       öffentliche Sicherheit ist zu dringlich, als dass wir unsere ballistic
       barrier Produkte nur für uns selbst nutzen dürften.“ Das bedeutet, dass das
       Unternehmen vor allem Schutzplatten aus Kunststoff verkauft, ohne selbst
       Möbel herzustellen.
       
       Die Angst in den USA ist groß. Hier sterben jedes Jahr tausende von
       Menschen an Schusswaffen, letztes Jahr allein 13.432. Büros sind aber erst
       seit Kurzem in den Fokus der Kugelsicherheits-Branche gerückt.
       
       ## In der Schule ist man bereits bulletproof
       
       Schüler sind schon länger im Visier derartiger Anbieter. Für sie gibt es
       kugelsichere Rucksäcke und Büchertaschen. Rucksäcke und Büchertaschen sind
       natürlich das gleiche – nur anders vermarktet.
       
       Der konservative Fernsehsender Fox News bewirbt den Rucksack mehr ex- als
       implizit: „Wenn Eltern bis zu 200 Dollar für die Schuhe ihrer Kinder
       ausgeben – warum nicht für einen Rucksack, der ihr Leben retten kann?“
       
       Für Zuhause gibt es auch bereits kugelsichere Sofas und Sessel. Beim Design
       braucht man dabei keine Abstriche machen. Die kugelsicheren
       Kunststoffplatten werden einfach in die Polster eingenäht.
       
       Trotzdem schafft die Idee, kugelsichere Platten überall einzusetzen, ganz
       neue Möglichkeiten. Der gesamte Alltag könnte bulletproof werden, einfach
       alles.
       
       ## Wohlbetuchte leben sicherer als andere
       
       Reiche Leute brauchen sich mit kugelsicheren Möbeln oder Utensilien nicht
       auseinandersetzen. Für sie gibt es bereits seit einigen Jahren den
       kugelsicheren Anzug. So brauchen sie bloß ihren Schwarz-Diamant-gefüllten
       Dreiteiler überstreifen, um vor Kugelhagel sicher zu sein. Das kostet
       allerdings über drei Millionen Dollar.
       
       Die Idee, alles kugelsicher werden zu lassen, ist genial. Zumindest aus der
       Sicht der Waffenlobby. Und der Kugelsicherheitslobby. Statt nämlich
       strengere Gesetze zur Kontrolle von Schusswaffen in privaten Haushalten
       einzuführen, relativiert man einfach deren Gefahr.
       
       So entsteht eine Rüstungsspirale, die beiden Wirtschaftszweigen nützt. Das
       Problem ist aber, dass sich die wenigsten Menschen kugelsichere Sofas für
       bis zu 10.000 Dollar leisten können. Geschweige denn den kugelsicheren
       Ganzkörperstrampler.
       
       Doch wer weiß, flankiert von der konservativen Politik wird womöglich auch
       bald das Tragen von allem, was kugelsicher ist, zum Statussymbol. Der
       Bulletproof Backback könnte zusammen mit dem modernen Sturmgewehr angeboten
       werden. Und der sprichwörtliche „Mann, der schon alles hat“ gönnt sich dazu
       eben noch den kugelsicheren Bürobedarf. Win-Win, sozusagen.
       
       23 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Hofmann
       
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