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       # taz.de -- EMtaz: Turnierentdeckung Wales: Viel mehr als nur Gareth Bale
       
       > Mit Leidenschaft spielen sich die walisischen Kicker in die Herzen
       > Europas. Wer würde ihr Land nicht weiter in der EU haben wollen?
       
   IMG Bild: Einfach zum Knuddeln diese Waliser: Neil Taylor in Familie
       
       Der historische Sieg gegen Russland war nur wenige Minuten alt, da ließ
       sich Chris Coleman zu einer pathetischen Lobrede auf sein Land hinreißen.
       „Geografisch sind wir klein, aber was die Leidenschaft angeht, sind wir ein
       Kontinent.“ Was der Wales-Coach damit meinte, bewies sein Team in den
       Gruppenspielen eindrucksvoll. Es zeigte mit Witz und Laufbereitschaft gar
       keine Scheu, auch nicht vor Favoriten wie England.
       
       Als kleiner Teil des Vereinigten Königreichs steht Wales selten im
       Rampenlicht. Zu Unrecht. Wales ist eine große Nation, mittlerweile auch im
       europäischen Fußball. Vor dem Turnier wurden die Waliser in einem Atemzug
       mit anderen EM-Neulingen wie Island, Albanien und Nordirland genannt.
       Inzwischen haben sich die „roten Drachen“ deutlich von diesen Newcomern
       abgesetzt.
       
       Während andere EM-Außenseiter vorwiegend mit Defensivfußball nach Art der
       achtziger Jahre den Erfolg suchen, hat Wales auch ausgemachte
       Offensivkönner in seinen Reihen, nicht nur Gareth Bale. Ergebnis: Die
       Mannschaft hat sich als Gruppensieger souverän fürs Achtelfinale
       qualifiziert.
       
       Coleman und sein Team haben verstanden, dass der Einzelne nur im Kollektiv
       etwas zählt. Während Schweden und Portugal alle spielerische Last ihren
       Stars Zlatan Ibrahimovic und Cristiano Ronaldo auferlegen, ist Superstar
       Bale ein Rädchen unter vielen – ein edles zwar, aber trotzdem nur ein Teil
       des Ganzen. Kurz: Wales zeigt erfrischende Spiele, und es macht Spaß.
       
       ## Der erste unpeinliche Fußballsong seit 1996
       
       Dabei ist Fußball dort nur die klare Nummer zwei in der Rangfolge beliebter
       Sportarten. Unangefochtener Nationalsport ist Rugby. Hier nimmt Wales
       regelmäßig an Weltmeisterschaften teil, 1987 und 2011 stand es im
       Halbfinale. Im Fußball war der bislang größte Erfolg das Erreichen des
       Viertelfinales bei der WM 1958.
       
       Doch nicht nur auf dem Platz übertrifft Wales derzeit die Erwartungen. So
       haben die Manic Street Preachers zur EM 2016 den ersten unpeinlichen
       Fußballsong seit „Football’s coming home“ geschrieben. Knapp vier Minuten
       lang preist „Together Stronger (C’mon Wales)“ das eigene Team, dabei kommt
       auch der 2011 per Suizid ums Leben gekommene Exnationaltrainer Gary Speed
       vor – in einem deutschen Fußballlied undenkbar.
       
       Bei allem Pathos ist „Together Stronger“ jedoch in erster Linie eine gute
       Rocknummer. Das ist kein Zufall: Waliser sind für ihren Gesang berühmt –
       und präg(t)en auch die Pop- und Rockmusik: Shirley Bassey, John Cale, Tom
       Jones, Duffy und Bonnie Tyler sind Waliser*innen.
       
       Darüber hinaus hat kein EU-Land ein cooleres Wappentier als Wales’ roten
       Drachen auf weiß-grünem Grund, dem aus Maul und Schwanz Pfeile sprießen.
       Und: Immerhin ein Viertel der rund drei Millionen Waliser spricht neben
       Englisch noch eine zweite Sprache: Welsh – eine lustige Entwicklung des
       Keltischen, in der schon der nationale Leitspruch „Y Ddraig Goch ddyry
       cychwyn“ (zu Deutsch: „Der rote Drache rückt vor“) klingt, als sei jemand
       auf der Computertastatur eingeschlafen.
       
       Ein EU-Brexit Großbritanniens gälte auch für Wales. Kann das jemand
       wollen? Hierzu die Manic Street Preachers: „Together Stronger. We’ll win if
       we unite.“
       
       23 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronny Müller
       
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