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       # taz.de -- EMtaz: Vorschau Italien – Spanien: Ausgekotzte Paella
       
       > Vor dem Klassiker vertraut Italien wieder mal auf den Catenaccio. Die
       > Spanier kämpfen derweil gegen schlechte Stimmung – und einen Trikotfluch.
       
   IMG Bild: Im EM-Finale 2012 flogen Sergio Ramos & Kollegen gegen Italien locker zum Titel
       
       Paris taz | Am Samstag öffnete die spanische Delegationsleitung
       ausnahmsweise die Pforten des sonst strikt verriegelten Mannschaftshotels
       auf der Île de Ré. Wohl eine kleine Goodwill-Aktion für die Journalisten,
       die das Team begleiten. Oder soll man besser sagen: Gegenpropaganda zur
       eigenen Mannschaft? Wer den Spaniern so zuhörte in den letzten Tagen,
       konnte glatt den Eindruck gewinnen, die „selección“ kämpfe bei dieser EM
       weniger gegen andere Mannschaften, wie etwa heute im Klassiker gegen die
       Italiener, als vielmehr gegen die eigene Presse.
       
       „Ihr sorgt doch für die schlechte Stimmung!“, blökte Verteidiger Jordi Alba
       etwa, als er nach vermeintlich schlechter Stimmung gefragt wurde. Der
       Verdacht gegen Torwart David De Gea, in einen Porno-Skandal verwickelt zu
       sein, die patzigen Äußerungen von Stürmer Pedro über seine
       Ersatzspielerrolle, das seltsame Platzhirschgehabe von Sergio Ramos vor dem
       verschossenen Elfmeter gegen Kroatien – alles Medienerfindungen? Wenn sogar
       einer wie Vicente Del Bosque plötzlich dünnhäutig und geradezu aggressiv
       wird, dann muss etwas aus den Fugen geraten sein.
       
       Jahrzehntelang war der spanische Nationaltrainer für Ausgeglichenheit,
       inneren Frieden und Toleranz gegenüber Meinungen aller Couleur bekannt. Nun
       sprach er in einem Interview mit Radio Marca davon, dass seine Mannschaft
       „Lüge um Lüge“ ausgesetzt sei. Für manche Journalisten wählte er eine
       drastische Metapher: „Wissen Sie, was ein Langhobel ist? Das ist eine
       Bürste, die Tischler benutzen, um die Rauigkeit zu entfernen. Aber es gibt
       welche, deren Bösartigkeit bekäme auch der beste Langhobel der Welt nicht
       ausgetrieben.“
       
       Bei solchen handwerklichen Problemen scheint fast noch das geringste Übel,
       dass Spanien gegen Italien mit seinem weißen Zweittrikot antreten muss.
       Dessen gelb-roten Farbsprenkeln attestierte eine britische Zeitung gewisse
       Ähnlichkeit mit „ausgekotzter Paella“, vor allem aber hat es in der
       Geschichte nichts als Unglück gebracht: Die jüngste Niederlage gegen
       Kroatien wurde ebenso in Weiß erspielt wie das epochale 1:5 bei der letzten
       WM gegen Holland oder, um bei Italien zu bleiben, ein 1:2 im
       WM-Viertelfinale 1994. Damals wurde das Leibchen sogar mit Blut befleckt:
       Den Ellbogenschlag von Mauro Tassotti gegen Luis Enriques Nase in der
       vierten Minute der Nachspielzeit hat in Spanien bis heute keiner vergessen.
       
       ## Rückkehr zu den Wurzeln
       
       Zumindest im richtigen Trikot verdrehte sich der Trend zuletzt allerdings
       ins Gegenteil. Spanien, das zuvor nie bei einem Turnier gegen Italien
       gewinnen konnte, feierte im Viertelfinale der EM 2008 mit dem Sieg nach
       Elfmeterschießen eine Zeitenwende. Vier Jahre später fügte es dem einstigen
       Peiniger mit einem 4:0 im Finale eine ungewöhnlich deftige Niederlage zu.
       Die Italiener haben das nicht vergessen, wie Mittelfeldspieler Marco Parolo
       am Wochenende erklärte: „Wir sprechen über dieses Spiel, wir haben es sogar
       noch mal analysiert. Jedes Detail kann nützlich sein. Die Möglichkeit einer
       ordentlichen Revanche gibt uns das innere Feuer für eine große Partie.“
       
       Italien flirtete vor vier Jahren unter Cesare Prandelli mit dem
       Offensivfußball. Bei diesem Turnier ist es unter Nachfolger Antonio Conte
       auch wegen verletzungsbedingter Ausfälle zu seinen Wurzeln zurückgekehrt.
       Und die heißen, na klar: Catenaccio. „Wir werden kämpfen wie immer,
       hässlich, dreckig, was ihr wollt“, sagte Verteidiger Andrea Barzagli und
       prophezeite seinem Juventus-Teamkollegen Álvaro Morata: „Er weiß ja, wenn
       er versucht, an Giorgio Chiellini vorbeizukommen, fängt er sich zwei Tritte
       ein.“ Wie Italien seinen neuen Angstgegner, die schwarze Bestie, stoppen
       könne? Da machte Barzagli die Pistolero-Bewegung: „Wir werden sie umlegen
       müssen.“
       
       Das war natürlich alles nur ein Scherz, halb jedenfalls. Die Zuhörer
       lachten und eines ist schon mal klar: Mit der Stimmung haben die Italiener
       überhaupt keine Probleme.
       
       27 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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