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       # taz.de -- Kein Platz für Kinder: Spielplatz versus Kita
       
       > Über 1.100 Kindergartenplätze fehlen in Bremen. Die Behörde will nun
       > Spielflächen bebauen. Nach den Ferien soll ein runder Tisch tagen.
       
   IMG Bild: Aus einigen öffentlichen Spielflächen in Bremen werden nun private
       
       BREMEN taz | Zehn Spielplätze sollten für Neubauten von Kindertagesstätten
       und Schulen abgerissen werden, so hieß es vor einigen Wochen. In die Welt
       gesetzt hatte das Gerücht das Bündnis „Grünes Bremen“. Umgehend fanden sich
       in den reicheren Stadtteilen Eltern zu Protestgruppen zusammen – und
       erfuhren dann, dass es doch nicht so arg kommen wird wie befürchtet.
       Entwarnung gab es etwa für den Spielplatz an der Hardenbergstraße in der
       Neustadt. Doch in mindestens drei Fällen bleibt es dabei: Aus öffentlichen
       Spielflächen werden private.
       
       Nicht alle finden das verkehrt – gehe es doch darum, den Rechtsanspruch auf
       Kindertagesbetreuung umzusetzen. So sieht es Ulrich Schlüter,
       Ortsamtsleiter von Osterholz. Bevor ein Haushaltsnotlageland wie Bremen für
       viel Geld private Areale ankaufe, müsse bei der Suche nach Bauflächen erst
       einmal geschaut werden, ob es nicht städtischen Grund gebe, der nicht oder
       kaum genutzt werde. „Im Bremer Osten gibt es solche Flächen“, sagt
       Schlüter. Und auch einen Mangel an Kitaplätzen. Am Ende der Sommerferien
       würden allein in Osterholz etwa 60 Plätze fehlen, bis Ende des Jahres seien
       es deutlich über 100, Tendenz steigend. Denn gerade würden zwei neue
       Wohneinheiten für 150 Familien errichtet. „Zwei komplette neue Kitas
       brauchen wir“, sagt der Ortsamtsleiter. Deswegen habe der Beirat
       zugestimmt, 50 Prozent des Spielplatzes an der Poggenburg zu bebauen. Der
       sei etwa 5.000 Quadratmeter groß – die Hälfte aber nur ein Hartplatz, der
       so gut wie gar nicht für Ballsport genutzt werde, so der Ortsamtsleiter.
       Doch eine Zeit lang wird der noch zur Verfügung stehen. Denn derzeit gebe
       es weder einen interessierten Träger für den Kindergarten, noch eine
       Planung der Behörde.
       
       Konkreter sieht es im dicht bebauten Findorff aus. „Wir haben keine einzige
       städtische Freifläche, die wir anbieten können“, so Ulrike Pala, Leiterin
       Ortsamt West. „Dieses Jahr ruckelt sich das mit den Kitaplätzen in
       Findorff noch zurecht“, sagt sie, „auch weil Kindergruppen um- und nach
       Walle ausgelagert wurden.“ Aber der Bedarf steige stetig. Deswegen habe der
       Beirat 2015 einstimmig für einen Kitaneubau gestimmt – auf dem Areal eines
       abgerissenen Spielhauses auf der Freizeitfläche Corveyplatz. Als Ausgleich
       habe das Sportamt die Erlaubnis erteilt, von der angrenzenden
       Erweiterungsfläche der Bezirkssportanlage 360 Quadratmeter für die Kinder
       abzuknapsen. „Es gibt sechs weitere größere Spielplätze im Stadtteil – und
       den Bürgerpark“, sagt Pala. Aber inzwischen sei das Übergangswohnheim für
       Geflüchtete an der Corveystraße errichtet worden. Von den 3.200
       Quadratmetern Spielplatz jetzt noch ein Viertel an Grün-, Spiel- und
       Sportfläche für eine zweigeschossige Kita wegzunehmen, sei nicht
       akzeptabel, meint Pala. 1.621 von einer Bürgerinitiative gesammelte
       Unterschriften liegen gegen die Bebauungspläne vor. Auf 685 Quadratmetern
       habe die Behörde daher den Bau bereits zurückgeplant, 660 habe der Beirat
       einst genehmigt, so Pala: „Gleich nach den Sommerferien nehmen alle
       Beteiligten und Betroffenen Platz an einem runden Tisch.“
       
       ## Klagen drohen
       
       „Auf einen von allen zähneknirschend akzeptierten Kompromiss wird es
       hinauslaufen“, prophezeit Annette Kemp, Sprecherin der Senatorin für Kinder
       und Bildung. Laut aktueller Erhebungen, sagt sie, würden schon nach den
       Sommerferien im Stadtgebiet 172 Drei- bis Sechsjährige und 64 U3-Kinder
       keinen Kitaplatz bekommen, könnten ihren Rechtsanspruch also geltend machen
       und diesen einklagen. „Das kam in Bremen aber bisher noch nicht vor“, so
       Kemp. Andere Eltern hätten dieses Recht abgetreten – und sich auf
       Wartelisten ihrer Lieblingskita setzen lassen, um dort bevorzugt behandelt
       zu werden. Von diesen seien derzeit noch 405 unter dreijährige und 481 über
       dreijährige Kinder ohne Betreuungsplatz. Insgesamt fehlen also 1.122
       Plätze.
       
       Eine durchaus absehbare Entwicklung? Bevor die Verantwortlichkeit für das
       Thema vom Sozial- zum Bildungsressort wechselte, was die behördliche
       Planung und Umsetzung verzögerte, wurde von einem Bedarf bis 2020 für 32
       neue Kitas mit jeweils vier bis sechs Gruppen à 20 Kindern ausgegangen.
       „Wir brauchen aber deutlich mehr“, sagt Kemp.
       
       Auch die „absolute Notvariante“, Gruppen mit mehr als 20 Kindern zu
       belegen, sei im Gespräch. Ebenso die Aufstockung und Erweiterung
       bestehender Kitas und der Umbau nicht genutzter städtischer Räume.
       Baugrundstücke würden auf Schulgeländen, Brach-, Sport-, Parkflächen
       gesucht. Und eben auf Spielplätzen. Auch der zwischen Bismarckstraße und
       Getekamp sei in der Diskussion. Kemp: „Aber das dauert, bis
       Qualitätsvorgaben gesichert sind und die Finanzierung ermöglicht ist.“ 2018
       stehen alle neuen Kitas? „Hoffentlich die ersten“, so Kemp.
       
       8 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Fischer
       
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