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       # taz.de -- Kommentar Nato-Gipfel in Warschau: Bruch mit überholtem Denken
       
       > Beim Treffen der Nato-Mitglieder überwinden sie das alte Blockdenken.
       > Auch die Nato-Russland-Akte sollte wieder auf den Tisch.
       
   IMG Bild: Beim Warschauer Nato-Gipfel: Der US-Präsident verkündet ein weiteres Engagement seines Landes in Afghanistan
       
       Der Nato-Gipfel von Warschau läutet eine Zeitenwende ein. Zum ersten Mal
       seit dem Beitritt ihrer Länder zur Nato können Polen, Litauer, Letten und
       Esten das Gefühl haben, tatsächlich von der Nato verteidigt zu werden.
       1939, als Hitler und Stalin Polen von Ost und West her überfielen,
       erklärten zwar Großbritannien und Frankreich, die damaligen Bündnispartner
       Polens, den Deutschen sofort den Krieg, taten dann aber erst einmal gar
       nichts.
       
       Der „Verrat von Jalta“ auf der Alliierten-Konferenz im Februar 1945 löste
       ein bis heute tief sitzendes Trauma bei allen Nationen Ost- und
       Mittelosteuropas aus. Stalin, der seine Kriegsbeute aus dem
       Hitler-Stalin-Pakt behalten und seine „Interessensphären“ möglichst noch
       ausdehnen wollte, machte die Westalliierten zu seinen Komplizen. Der
       US-amerikanische Präsident Roosevelt und der britische Premier Winston
       Churchill stimmten zu, weil sie fürchteten, ohne die Sowjettruppen den
       Krieg gegen Deutschland und Japan nicht gewinnen zu können. Nur Italien
       hatte Glück und wurde der westlichen Interessensphäre zugeschlagen.
       
       Als sich dann endlich nach fast einem halben Jahrhundert das
       Sowjetimperium auflöste und die von Stalin zusammengeraubten Länder nach
       und nach ihre Unabhängigkeit erklärten, strebten fast alle von ihnen in die
       Nato und EU. Das war ihr gutes Recht. Doch das Blockdenken verschwand auch
       nach der Wende 1989/90 noch nicht vollständig aus den Köpfen der
       Westeuropäer und US-Amerikaner.
       
       Und so unterzeichneten sie 1997 die Nato-Russland-Akte, in der über die
       Köpfe der Ostmitteleuropäer hinweg entschieden wurde, dass diese bei einer
       Aufnahme in die Nato Mitglieder zweiter Klasse sein sollten – „ohne
       signifikante Truppen der Nato“ zu ihrem Schutz.
       
       Der Nato-Gipfel in Warschau bricht nun mit diesem überholten Blockdenken
       aus dem Kalten Krieg. Es ist an der Zeit, dass auch die Nato-Russland-Akte
       erneut auf den Tisch kommt. Denn während Moskau die Einhaltung des
       Vertrages vom Westen einfordert, kümmert es sich selbst keinen Deut darum:
       Rund 10.000 Todesopfer kostete der Krieg Russlands gegen die Ukraine
       bereits.
       
       Vielleicht gelingt es ja, im Nato-Russland-Rat Moskau davon zu überzeugen,
       dass das Sowjetimperium endgültig der Vergangenheit angehört und es nun
       darum gehen müsste, Russland zu einem wohlhabenden, liebenswerten und
       weltweit geschätzten Land zu machen.
       
       10 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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