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       # taz.de -- Berliner Szenen: Tschüss, Sonja
       
       > Wir hatten eine gute Zeit – ich und Sonja. Wir fuhren durch Pfützen und
       > überholten Rennrad-Hipster. Doch dann veränderte sich etwas. An einem
       > Freitag.
       
   IMG Bild: Wo sie jetzt wohl ist?
       
       Meine Mutter riet mir, Rad zu fahren. Also tat ich's. Oft hat meine Mutter
       ja recht, und immer hat sie Argumente: „Damit sparst du Geld. Außerdem tust
       du was für die Umwelt!“
       
       Eine Freundin überließ mir ihr altes. Ein lilafarbenes 26er Damenrad, das
       beim Trampeln klang wie eine hungrige Katze: nervig. 90 Euro gab ich
       deshalb Tommi, Radexperte in einer Schöneberger Werkstatt, für neue Reifen
       und, wie sich später herausstellte, letzte Ölung. „Jetzt läuft's wieder wie
       geschmiert“, sagte er.
       
       Und behielt vorerst recht. Wir hatten eine gute Zeit – ich und das Rad. Ich
       fuhr durch Pfützen und rief „Hui!“. Überholte auf der Warschauer Brücke
       Rennrad-Hipster. Bei Regen teilten wir uns ein großes gelbes Plastikcape.
       Ich gab dem Rad sogar einen Namen: Es hieß Sonja.
       
       Doch dann veränderte sich etwas: An einem Freitag kollidierten wir mit dem
       Kofferraum eines scharf bremsenden Autos – ich behielt einen
       Mercedesstern-großen Bluterguss, das Rad eine leichte Acht im Vorderreifen.
       An einem Montag ging der Schlüssel für das Speichenschloss verloren. In
       einer Mail fragte ich einen Berliner Schloss-Technik-Hobbyverein, ob er das
       Rad für einen Kasten Bier knacken würde. „Nein“, antwortete der wohl zu
       Recht, bot mir aber an, mich das Knacken zu lehren. Kurz darauf kamen
       Diebe. Sie klauten den Schlauch aus dem Hinterrad, nur den Schlauch. Den
       Rest schraubten sie wieder säuberlich an.
       
       Schließlich brach der Gepäckträger entzwei. Einfach so, an einem Sonntag.
       Ich war sauer, wollte nicht mehr, schrieb „Take it!“ auf einen Zettel,
       pappte ihn an den Lenker und setzte das Rad aus. Drei Wochen stand es an
       einer Supermarktmauer in Tempelhof gelehnt. In der vierten war es weg.
       
       Oft hat meine Mutter ja auch unrecht. Tschüss, Sonja.
       
       12 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christine Stöckel
       
       ## TAGS
       
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