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       # taz.de -- Stiftungsmitarbeiter über Anti-NGO-Gesetz: „Links ist in Israel ein Schimpfwort“
       
       > Israels Regierung brandmarkt per Gesetz kritische Aktivisten. Das ist
       > Teil einer Einschüchterungskampagne, sagt Tsafrir Cohen von der
       > Rosa-Luxemburg-Stiftung.
       
   IMG Bild: Sponsored by Bundesrepublik? Aktivisten protestieren in Tel Aviv
       
       taz: Herr Cohen, inwieweit trifft Israels NGO-Gesetz auch deutsche
       Stiftungen wie die Rosa-Luxemburg-Stiftung? 
       
       Tsafrir Cohen: Uns selbst betrifft es direkt erst einmal nicht, wir gelten
       als ausländisches Non-Profit-Unternehmen. Das Gesetz beschränkt vor allem
       die Möglichkeiten der Organisationen, die unsere Partner vor Ort sind und
       teilweise von uns finanziell unterstützt werden.
       
       Welche sind das? 
       
       Das sind zum Beispiel Breaking the Silence, eine Gruppe israelischer
       Reservisten, die erzählen, wozu die Regierung Soldaten in den besetzten
       Gebieten verpflichtet und welche Folgen das für die palästinensische
       Zivilbevölkerung hat oder auch B’Tselem, die über
       Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten berichten. Betroffen
       sind also vor allem Organisationen – im Übrigen sind auffallend viele
       jüdische Organisationen dabei und wenige palästinensische –, die für
       Menschenrechte von Minderheiten oder gegen die Besatzung kämpfen. 
       
       ## Sie sollen ihre Geldquellen offen legen. Was ist gegen Transparenz
       einzuwenden?
       
       Diese Organisationen sind alle sehr transparent. Bei Breaking the Silence
       stehen die Geldgeber auf der Webseite. Daran wird sich auch nichts ändern.
       Die Organisationen, die nicht transparent sind, sind rechte Organisationen
       die etwa eine Stärkung der israelischen Präsenz in Ostjerusalem fordern.
       Sie finanzieren sich aus israelischen Staatsgeldern und bekommen oft
       Spenden von wohlhabenden rechten SpenderInnen. Oft aus den USA. Sie sind
       aber von dem neuen Gesetz nicht betroffen.
       
       Welche Auswirkungen wird das Gesetz haben? 
       
       Das Gesetz verbietet erst einmal nichts. Die gesamte Kampagne bis hin zum
       Gesetz dient dazu die „linken“ Organisationen zu delegitimieren. Links ist
       dabei jeder, der für universelle Menschenrechte steht beziehungsweise für
       ein Ende der Besatzung. Die Öffentlichkeit soll diese Leute als fünfte
       Kolonne wahrnehmen, als Leute, die aus dem Ausland finanziert werden und
       Israels Interessen nicht im Herzen tragen. Das ist Teil einer
       Einschüchterungskampagne, die sowohl von oben, aber auch von unten kommt.
       Das klappt bereits. In israelischen Medien erschienen „Gesucht“-Fotos von
       Mitarbeitern von B’Tselem oder Breaking the Silence mit deren
       Telefonnummern und Adressen.
       
       Es geht also um Rufmord? 
       
       Ja, es geht um etwas Größeres. Israel ist gegründet worden nach eigener
       Definition als jüdischer und demokratischer Staat. Gegenwärtig tendiert man
       immer stärker zum jüdischen Staat auf Kosten des demokratischen. Das heißt,
       die ethnische Zugehörigkeit ist wichtiger als das demokratische Prinzip.
       Diejenigen, die sich dagegenstemmen und für die Rechte der Nichtjuden und
       Nichtjüdinnen kämpfen, etwa Organisationen, die für die Rechte von
       Flüchtlingen aus der Subsahara, Arbeitsmigranten oder die indigene
       palästinensische Bevölkerung kämpfen, sollen hierbei ausgeschlossen werden.
       
       Nun fördert die Konrad-Adenauer-Stiftung andere Gruppen als die RLS, welche
       Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Ihnen? 
       
       Wir rücken zusammen, unsere Zusammenarbeit ist viel intensiver geworden.
       Wir haben unterschiedliche, zum Teil konträre Positionen zu Ökonomie und
       Gesellschaft. Aber wir arbeiten alle für ein plurales, weltoffenes Israel.
       Wenn wir zusammenkommen, vertreten die CSU- und die Linke-nahen Stiftungen
       ähnliche Positionen. Und weil wir da an einem Strang ziehen, weil wir für
       Rechtsstaatlichkeit stehen, werden wir alle zusammen in eine linke Ecke
       gedrängt. „Links“ ist in Israel ein Schimpfwort, das auch Gruppen wie
       Amnesty International einschließt.
       
       ## Wohin bewegt sich die israelische Gesellschaft?
       
       Entdemokratisierungsprozesse, wie wir sie in Russland, der Türkei oder
       Ungarn erleben, sind auch in Israel in vollem Gange. Ich befürchte, dass
       diese Prozesse weitergehen, solange Israel die Palästinensergebiete besetzt
       hält und damit Millionen von Menschen ihre Grundrechte vorenthält. Das
       schwappt nach Israel über und verändert das Land, unterwandert die
       Demokratie nachhaltig. solange die Besatzung anhält. Wenn man eine Gruppe
       dauerhaft entrechtet, so dauert es nicht lange, bis man auch andere Gruppen
       ausschließt und diejenigen, die für eine plurale Gesellschaft einstehen,
       zum Schweigen bringt. Selbst Präsident Reuven Rivlin, ein rechter
       Likud-Mann, der eine Zweistaatenlösung ablehnt, wird aktuell von den
       Ultrarechten als Verräter angefeindet, weil er den Rechtsstaat verteidigt.
       Eigentliche Zielscheibe dieses Gesetztes ist also der israelische
       Rechtsstaat.
       
       Üben die Stiftungen nun lieber Zurückhaltung? 
       
       Im Gegenteil. Wir sind doch hier, um das Gespräch zu suchen. Wir als
       Rosa-Luxemburg-Stiftung halten direkten Kontakt zum linken Lager in Israel
       und werden von AktivistInnen, PolitikerInnen und zivilgesellschaftlichen
       Organisationen um Intensivierung unserer Arbeit aufgefordert, wozu wir uns
       nicht verschließen wollen.
       
       In Ägypten wurden die Mitarbeiter der dortigen Adenauer-Stiftung vor
       einigen Jahren angeklagt, weil sie lokale Organisationen illegal
       unterstützt haben sollen. Ist Ähnliches auch in Israel zu befürchten? 
       
       Nein. Israel ist nicht an dem Punkt, wo Ägypten ist. Da muss man die Kirche
       im Dorf lassen.
       
       Wie sollte die deutsche Politik nun reagieren? 
       
       Die deutsch-israelische Parlamentariergruppe im Bundestag hatte ja einen
       Brief an die Fraktionen in der Knesset und die Justizministerin
       geschrieben, der hier Wellen geschlagen hat und sehr nützlich war. Er hat
       geholfen, das Gesetz zu entschärfen. Wir brauchen Dialog und nicht das Ende
       des Dialogs.
       
       Also sollen die deutschen Politiker weiter Briefe schreiben? 
       
       Ich denke, es sollte ein sehr ernsthafter, kritischer Dialog stattfinden,
       und wir sollten noch stärker mit dem progressiven Teil Israels solidarisch
       sein. Das heißt auch mit den Organisationen, die jetzt ausgeschlossen
       werden sollen.
       
       13 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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