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       # taz.de -- Chemikalien in Outdoorkleidung: Praktisch und schmutzig
       
       > Die Outdoor-Branche sucht nach Alternativen zu giftigen
       > Fluor-Chemikalien. Dabei ist die behandelte Kleidung nicht einmal das
       > größte Problem.
       
   IMG Bild: PFC ist hier eventuell nicht das einzige Problem
       
       Berlin taz | Jetzt geht es also doch: Outdoor-Hersteller kündigen im
       Wochenrhythmus an, künftig umweltschädliche Chemikalien zu ersetzen. Jüngst
       teilte Vaude aus dem baden-württembergischen Tettnang mit, ab Sommer
       nächsten Jahres 95 Prozent der Bekleidung PFC-frei zu produzieren. Damit
       liegt das Familienunternehmen im Branchenvergleich weit vorne: Vergangene
       Woche hatte die Firma Gore angekündigt, ihr Angebot wenigstens um einige
       PFC-freie Produkte zu erweitern.
       
       PFC – also Perfluorierte Chemikalien – sind eines der Top-Themen auf der
       „Outdoor“, der großen Messe der Branche, die am heutigen Mittwoch in
       Friedrichshafen beginnt. Bis Samstag zeigen 940 Aussteller aus 40 Ländern
       ihre Neuheiten; 10,2 Milliarden Euro setzen sie in Europa jährlich um,
       davon 2,5 Milliarden in Deutschland.
       
       Seit Jahren kratzen umweltschädliche Stoffe am grünen Image der Branche,
       zuletzt vor allem Per- oder polyfluorierte Chemikalien (PFC). Die
       Verbindungen aus Fluor- und Kohlenstoffatomen kommen in der Natur nicht vor
       und stehen unter Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden und Krebs zu
       erregen. Seit 50 Jahren werden sie industriell hergestellt – und in der
       Natur nicht wieder abgebaut. Sie reichern sich an, mit bislang ungeklärten
       Folgen. Unterschieden wird zwischen den besonders schädlichen langkettigen
       PFC und kurzkettigen PFC aus höchstens sechs Kohlenstoffatomen. Sie gelten
       bislang als weniger gefährlich. Ob das stimmt, wird noch erforscht.
       
       Die Unternehmen mit den berg- und wasserreichen Werbeplakaten geraten von
       zwei Seiten unter Druck: Zum einen zwingt sie der Gesetzgeber zur Suche
       nach Alternativen: Die langkettige Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) etwa ist
       seit einigen Jahren verboten, Perfluoroktansäure (PFOA) droht mittelfristig
       dasselbe. Doch auch viele Verbraucher stört die Chemie in ihrer Kleidung,
       informiert und aktiviert vor allem von der „Detox-Kampagne“ von Greenpeace,
       mit der die Umweltorganisation bis 2020 die Textilindustrie „entgiften“
       will.
       
       Das aber ist schwierig, solange Hersteller und Verbraucher auf die
       kombinierten Funktionen setzen, die Fluorchemikalien bieten: Sie lassen
       nicht nur Wasser, sondern auch Schmutz und Fett abperlen. „Das bekommen Sie
       mit anderen Chemikalien nicht hin“, sagt Stefan Stolte, Leiter der
       Forschungsabteilung „Nachhaltigkeit in der Chemie“ der Universität Bremen.
       Stolte sucht für die Industrie nach unschädlichen Alternativen zu PFC –
       etwa Wachse oder Silikone. Mit ihnen lässt sich bislang nur wasserdichte
       Kleidung herstellen.
       
       ## Kein Verhältnis zum Nutzen
       
       „Reicht doch“, sagt Christoph Schulte, Chemikalienexperte am Dessauer
       Umweltbundesamt. Der Nutzen allseits geschützter Textilien stehe in keinem
       Verhältnis zum Schaden durch die Chemikalien in der Umwelt. „In den
       kommunalen Kläranlagen sehen wir seit einigen Jahren erhöhte Werte von
       PFC“, so Schulte. Je Klärwerk seien diese zwar gering, doch in der
       Gesamtheit nicht zu unterschätzen.
       
       Nun ist Wäschewaschen nicht der einzige Weg, durch den PFC in Wasser und
       Boden gelangen. Heute weitgehend ersetzt, waren sie früher häufiger
       Bestandteil von Feuerwehr-Löschschäumen. Es gibt wohl im ganzen Land Orte
       mit hohen Konzentrationen der Chemikalien, an Flughäfen,
       Ex-Militärstandorten oder Raffinerien. Die Länder sammeln Daten, sie werden
       aber nicht bundesweit zusammengefasst. Lokal poppt das Thema immer wieder
       auf, weil im Grundwasser PFC auftauchen, ob in Düsseldorf oder Rastatt.
       
       Die Entgifter von Greenpeace zielen vorerst weiter auf die Textilbranche,
       „wohl wissend, dass es eine Reihe weiterer Anwendungsbereiche für PFC gibt,
       die thematisiert werden sollten“, sagt ihr Chemikalienexperte Manfred
       Santen. „Wenn PFC aus der Textilproduktion verschwinden, wird das positiv
       auf weitere Bereiche wie Teppiche, Auto-, Bus-, Bahn- oder
       Flugzeugsitzbezüge wirken“, so Santen. Vielleicht werden sich auch die
       Hersteller von Pizzakartons und Kaffeebechern irgendwann technisches
       Know-how von Vaude holen – denn viele Lebensmittelverpackungen sind mit
       Fluorchemikalien beschichtet.
       
       13 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
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