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       # taz.de -- EMtaz: Polen vor dem Viertelfinale: Ein hart arbeitender Gentleman
       
       > Für Grzegorz Krychowiak ist das Turnier beinahe eine Heim-EM. Der
       > frankophile Mittelfeldarbeiter soll Polen ins Halbfinale führen.
       
   IMG Bild: Sein Marktwert steigt und steigt: Grzegorz Krychowiak
       
       La Baule taz | Sechs Wochen ist es her, dass Grzegorz Krychowiak in Basel
       die Europa League gewann. Damals kam er mit dem Pokal vorbei, stellte ihn
       auf dem Boden ab und plauderte. Auch über Polen. „Wir wollen Geschichte
       schreiben“, sagte er.
       
       Nun ist der Tag gekommen. Im EM-Viertelfinale gegen Portugal wartet die
       Chance, als erste polnische Mannschaft seit den Tagen von Grzegorz Lato
       oder Zbigniew Boniek das Halbfinale eines großen Turniers zu erreichen.
       Gehen wird es nur über Krychowiak, den Mittelfeldspieler aus Sevilla. Er
       ist Motor und Herz. Er erobert Bälle, viele Bälle. Er verteilt sie, er
       schreitet voran, ein Europapokalsieger in einem lange erfolglosen
       Fußballland.
       
       Gegen die Schweiz verwandelte er den entscheidenden Elfmeter. Das Polen
       dieser EM, es ist bisher nicht das von Robert Lewandowski, der immer noch
       auf sein erstes Tor wartet. Es ist ein Polen, das erst einen Gegentreffer
       kassiert hat, ein Polen der Arbeit und der Aufopferung. Das Polen von
       Krychowiak.
       
       Für seine Gegner ist der 26-Jährige ein Albtraum: ein Berserker, der ihnen
       keine Sekunde Ruhe lässt und keinen Zentimeter Raum, der beim Tackling
       präzise, aber auch sehr hart zur Sache geht. Für jeden, der außerhalb des
       Platzes mit ihm zu tun hat, ist er ein Geschenk. Nicht nur seine klassische
       Frisur erinnert an die Tage von Ferenc Puskás, auch seine Manieren.
       Krychowiak zeigt sich ausnehmend höflich und freundlich, ein Gentleman.
       
       ## Ausstiegsklausel von 45 Millionen Euro
       
       Den typischen Fußballer erlebt man auch in La Baule nicht. In dem
       Urlaubsort an der bretonischen Atlantikküste residieren die Polen in einem
       historischen Hotel direkt an der Strandpromenade, „schön weit weg vom
       Trubel der EM“, wie Stürmer Arkadiusz Milik sagt.
       
       Aber auch schön langweilig, vor allem bei dem meist schlechten Wetter. Es
       gibt viel Leerlauf in so einem Profileben, aber Krychowiak ist keiner von
       denen, der ihn an der Playstation verstreichen lassen würde. „Ein Fußballer
       hat Zeit auch für andere Dinge“, sagt er. Zum Beispiel, um zu studieren.
       Mit 26 hat er schon ein Diplom in Sportmanagement von der Universität Lyon.
       
       Die langen Tage von La Baule soll er laut polnischen Presseberichten auch
       dazu genutzt haben, sich noch mal mit den Verantwortlichen von Paris St.
       Germain zu treffen. Dort wurde am Dienstag Unai Emery als neuer Trainer
       vorgestellt, sein bisheriger Coach in Sevilla, und dort soll auch
       Krychowiak demnächst unterschreiben. Es geht wohl nur noch um die Ablöse.
       Die Franzosen würden die Ausstiegsklausel von 45 Millionen Euro gern
       herunterhandeln.
       
       ## In Bordeaux ausgebildet
       
       Wo Krychowiak sich bei den Polen mangels Alternativen auch um den
       Spielaufbau kümmert, brilliert er in den besser bestückten Vereinsteams
       vornehmlich als Zerstörer. Er macht das mit Lust und Verve: „Man muss
       verstehen, was die eigenen Stärken sind. Meine bestehen darin, zu kämpfen
       und zu rennen“, erklärte er dieser Tage der spanischen Zeitung El País und
       fügte hinzu: „Es gibt ja zwei Arten zu rennen: wie ein Verrückter und mit
       Köpfchen. Ich suche die Balance zwischen beiden.“
       
       Wenn er heute im Mittelfeld auf den portugiesischen Shooting Star Renato
       Sanches trifft, wird dieser ihn kaum überraschen. Auf der manischen Suche
       nach Verbesserung studiert Krychowiak nicht nur seine eigenen Partien,
       sondern auch seine Gegner. „Ich tue so, als wäre es Tennis“, sagt er. „Ich
       bereite mich auf jedes Spiel mit dem Gedanken vor, dass alles von mir
       abhängt.“
       
       Sollte er tatsächlich nach Paris wechseln, wäre es auch die Rückkehr in ein
       Land, das Krychowiak „meine zweite Heimat“ nennt. Schon als Teenager
       verließ er seine Familie nahe Stettin, um in die Fußball-Akademie von
       Girondins Bordeaux einzutreten. In seinem Ausbildungsklub konnte er nie
       reüssieren, erst bei Stade Reims setzte er sich durch, vor zwei Jahren
       löste ihn Sevilla für 4,5 Millionen Euro dort aus.
       
       Der Austragungsort der EM motiviert ihn auch besonders für dieses Turnier,
       nachdem er bei der eigentlichen Heim-EM vor vier Jahren nicht nominiert
       wurde. Damals scheiterte Polen blamabel, erst der neue Trainer Adam Nawalka
       brachte die Mannschaft auf den Weg. Mit variablen taktischen Konzepten und
       mit „harter Arbeit seit dem ersten Tag“, wie Krychowiak sagt. So, wie es
       ihm gefällt.
       
       30 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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