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       # taz.de -- EU-Gipfel zum Brexit: Cameron unter Druck
       
       > Die EU-Chefs haben den britischen Premier gewarnt, dass das Votum
       > unumkehrbar sei. Sie wiesen seine Bitten nach günstigen Konditionen für
       > sein Land zurück.
       
   IMG Bild: Viele Briten und Britinnen wollen in der EU bleiben – die EU-Chefs scheinen dagegen zu halten
       
       Brüssel ap | Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben
       Großbritannien am Dienstag weiter Richtung Ausgangstür geschoben. Premier
       David Cameron wurde auf dem EU-Gipfel in Brüssel gewarnt, dass es nach der
       überraschenden Entscheidung seiner Landsleute für den EU-Austritt keinen
       Weg zurück gebe. Das Brexit-Votum sei unumkehrbar, sagte Bundeskanzlerin
       Angela Merkel nach den Gesprächen mit ihren Amtskollegen. EU-Ratspräsident
       Donald Tusk drängte London, die Austrittspläne so schnell wie möglich
       festzulegen.
       
       Camerons Bitten um günstige Konditionen für das Vereinigte Königreich
       wurden der Reihe nach zurückgewiesen. Frankreichs Staatspräsident François
       Hollande machte klar, dass Großbritannien sich nicht nur die Rosinen
       herauspicken werden könne. Man könne nicht den freien Kapital-, Waren- und
       Dienstleistungsverkehr in Anspruch nehmen und die Personenfreizügigkeit
       einschränken, so Hollande.
       
       „So läuft das nicht. Es sind die vier Freiheiten oder keine“, sagte
       Hollande. Daran lasse sich nicht rütteln. Merkel sagte, wer die EU-Familie
       verlassen wolle, könne nicht erwarten, keine Pflichten mehr zu haben, aber
       die Privilegien zu behalten.
       
       Cameron frustrierte die Gipfelteilnehmer mit seiner Weigerung, das
       Sheidungsverfahren unmittelbar einzuleiten. Die Verhandlungen darüber seien
       Aufgabe seines Nachfolgers, sagte der Premier, der bei seinen Landsleuten
       für einen EU-Verbleib geworben und nach seiner Niederlage beim Referendum
       vergangene Woche seinen Rücktritt erklärt hatte.
       
       ## London braucht Zeit
       
       Jeder wünsche sich ein „klares Modell“ für die künftigen Beziehungen
       zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, sagte der britische
       Regierungschef. Doch London brauche Zeit. Dafür habe es in Brüssel auch
       Verständnis gegeben, sagte Cameron.
       
       Merkel sagte nach dem Gipfel, sie sehe keinen Weg, die Brexit-Entscheidung
       rückgängig zu machen. Es sei nicht die richtige Zeit für Wunschdenken,
       sagte sie. Tusk stimmte zu: „Europa ist bereit, den Scheidungsprozess zu
       starten.“
       
       Dass vergangenen Donnerstag 52 Prozent der britischen Wähler für einen
       EU-Austritt Großbritanniens votierten, hat nicht nur auf der Insel, sondern
       in ganz Europa zu einem finanziellen und politischen Beben geführt. Das
       unerwartete Ergebnis wird der EU ihren reichsten Finanzmarkt, ihre größte
       Militärmacht und ein diplomatisches Schwergewicht nehmen.
       
       ## Sondertreffen im September
       
       Sowohl Großbritannien als auch die europäischen Partner versuchen nach dem
       Schock des Votums der britischen Wähler für den Brexit immer noch, sich zu
       sammeln. Nicht nur in Großbritannien rumort es. So verurteilte der
       ungarische Ministerpräsident Viktor Orban abermals die
       EU-Flüchtlingspolitik. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras
       machte unter anderem die Sparpolitik mitverantwortlich für das
       Brexit-Votum. Er hoffe, dass das Ergebnis des Referendums ein Weckruf für
       Europa sei.
       
       Sich der Bedrohung für die Einheit der EU bewusst, plant Tusk ein
       Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in der
       Slowakei im September. Merkel versicherte in einer Regierungserklärung, sie
       werde sich mit voller Kraft für den Erhalt der Gemeinschaft einsetzen.
       
       EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, keiner seiner Kommissare
       dürfe geheime Gespräche mit Großbritannien abhalten, bis London offiziell
       den Ausstieg beantragt habe. Die EU selbst wird am Mittwoch weiter in
       Brüssel über ihre Zukunft sprechen – dann jedoch ohne Cameron.
       
       29 Jun 2016
       
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