# taz.de -- Kommentar EU-Gipfel zum Brexit: Kein Weg zurück, kein Weg nach vorn
> Die EU-Chefs konnten sich auf keinen Plan für den Brexit und auch auf
> keinen Zeitpunkt einigen. Sie verharren in Nostalgie und sinnlosen
> Machtspielchen.
IMG Bild: Wo geht's hier zum EU-Ausgang? Angela Merkel übernimmt bestimmt gern die Führung
Unumkehrbar. Das ist das einzige klare Wort, das beim Brexit-Gipfel der EU
fiel. Das britische Referendum für den EU-Austritt sei unumkehrbar, sagte
die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Krisentreffen in Brüssel.
Für die Briten gebe es keinen Weg zurück. Soll das etwa alles gewesen sein?
Wo bleibt der Druck, um nun eine Hängepartie und Nachahmer in anderen
EU-Mitgliedsstaaten zu verhindern?
Von einem Gipfel der Regierungschefs muss man erwarten können, dass sie den
europäischen Bürgern nun sagen, wie es weitergeht. Wie sieht der Weg nach
vorn aus – für Großbritannien, aber vor allem für die EU? Dass diese Fragen
unbeantwortet bleiben, ist völlig inakzeptabel. Die EU-Chefs schafften es
nicht, das dringend benötigte Signal für einen Neustart zu geben. Dazu
verharren sie zu sehr in Nostalgie und in sinnlosen Machtspielchen.
Der britische Premier David Cameron schwärmte nach seinem wohl letzten
EU-Gipfel von den Lobreden, die seine Kollegen aus Irland, Frankreich oder
Malta auf die gemeinsame große Geschichte gehalten hätten. Gleichzeitig
wurde bekannt, dass sich die EU-Staaten und die EU-Kommission über die
Frage streiten, wer denn nun die Scheidungsverhandlungen führen wird.
Merkel und die anderen Chefs misstrauen der Kommission und wollen die
Führung übernehmen.
Deutschland beansprucht für sich dabei eine Sonderrolle. Wie sonst ist es
zu erklären, dass Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
schon vor dem Gipfel zu diversen Minigipfeln nach Berlin geladen hatten?
Ein solches Vorgehen sorgt für böses Blut bei den nicht beteiligten
Mitgliedsstaaten.
## Jeder misstraut jedem
Im Brexitschock-Europa misstraut jeder jedem. Paradoxerweise führt das
dazu, dass ausgerechnet Cameron wohlwollend, fast schon zuvorkommend
behandelt wurde. Wie kann es sein, dass dem Politiker, der ohne Not und
ausschließlich aus machtpolitischen Interessen ein Referendum ansetzte und
damit das Projekt Europa gefährdet, nicht der Kopf gewaschen wird?
Merkel schaffte es sogar, alle Forderungen nach einem schnellen Start der
Austritts-Verhandlungen vom Tisch zu wischen. Am Ende des Gipfels stand
nicht ein einziger Satz zum weiteren Vorgehen im Protokoll. Selbst der
Zeitplan für den Austritt ist vage. Dabei müsste genau das Gegenteil der
Fall sein – allein schon aus Schutzverantwortung für die übrigen 27
Mitgliedsstaaten.
Eine lange Periode der Unklarheit wird den Rechtspopulisten in die Hände
spielen – und das ist verantwortungslos. Stattdessen müsste die EU London
nun mit Sanktionen drohen, wenn das Königreich nicht schnell die Scheidung
einreicht. Man könnte beispielsweise den „EU-Pass“ für britische Banken
einkassieren oder auch den Britenrabatt. Abwarten ist jedenfalls keine
Option. Das klingt nicht unumkehrbar, sondern ratlos.
29 Jun 2016
## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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