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       # taz.de -- EMtaz: Kolumne Queering Soccer: Kinder verboten!
       
       > Die EM ist keine Familienveranstaltung, findet die Uefa. Fußballer dürfen
       > ihren Nachwuchs deshalb nicht mehr auf dem Rasen herzen. Ein Rückschritt.
       
   IMG Bild: Nicht erwünscht: die Kinder der Fußballspieler
       
       Mir fallen diese Fernsehbilder, die uns von dieser Europameisterschaft
       erreichen, am stärksten auf: Männer, die nach einem Spiel ihr Kind, ihre
       Kinder auf dem Rasen empfangen und zärtlich, fein und nah, auf dem Arm
       tragen, mit ihnen oft winkend. Den eigentlich unnahbaren Cristiano Ronaldo
       sahen wir auf diese Weise, den Portugiesen, den man doch mit gespreiztem
       Diventum assoziiert, nicht mit familiärer Arbeit am und mit dem Kind.
       
       Und plötzlich sah der große CR7 nicht wie ein überpflegter Beau aus,
       sondern wie ein Vater, der sich nach getaner Arbeit um seinen Nachwuchs
       kümmert, mit diesem hautnah sein möchte. Andere, viele andere Spieler haben
       wir auch so gesehen: Männer, die zu Vätern werden, modernen Exemplaren
       dieser Sorte.
       
       Undenkbar noch vor 50 Jahren, nach dem WM-Finale im Wembley: Die Geschichte
       der Bilder, die sich uns eingebrannt haben, hält nur das des deutschen
       Stürmers parat, gesenkten Kopfs wie vom Platz taumelnd, die Schlacht
       geschlagen, aber verloren. Kinder hatten damals, so will es die Erinnerung,
       noch keinen Platz fürs Leben danach. Fußballer – das waren eben Männer, die
       zur Arbeit gingen und dann Feierabend hatten. Seeler – das war der Typus
       Mann, wie es ihn überall und in überwältigender Mehrheit gab. Der Mann geht
       raus in die Welt, schlägt sich in ihr mehr oder weniger wacker, aber dass
       es ein Zuhause, ein Familiäres gibt, sagen die Bilder nicht.
       
       In der Zwischenzeit, sozusagen der Playboy'schen Zeit, bekam das Publikum
       Bildfutter von Männern, die wie Outside-Cruiser die Welt nahmen. Franz
       Beckenbauer und sein notorisches Geschnacksel. Aber vor allem fiel er uns
       auf, dieser Günter Netzer: Sportwagen, Disco und eine Frau, die nicht nach
       Königsberger Klopsen aussah, sondern wie eine taffe Pussy-Galore. Die
       Fußballbilderwelt war erfüllt von Frauen, die ihre Fußballer anhimmelten.
       Das hat sich gehalten, man sah es nach dem Italienspiel: Hummels küsst
       Cathy.
       
       ## Renaissance der Traditionalisten
       
       Aber die Kinder, die sind Akteure eigener, besonderer Klasse gewesen (und
       werden es bleiben) bei dieser Europameisterschaft. Wobei es hier gar nicht
       um die Gören geht, sondern um die freundliche Art ihrer Väter: stolz ihren
       Arbeitsplatz zeigend, zufrieden mit der Ausbeute des Tages.
       
       Es bleibt ein weiter Weg zu noch mehr Familiarität. Undenkbar, dass da
       einer seinen Liebsten herzt nach dem Schlusspfiff. Noch absurder: Dass da
       einer sein Kind auf dem Rasen auf den Arm nimmt – und seinen Mann, den
       Mitkindsvater, mit Dank für ein gutes Leben grüßt.
       
       Möglich wäre es, aber wie kompatibel mit dem real existierenden Fußball ist
       das schon?
       
       P.S.: Dieser Text wurde am Sonntag, 3. Juli, geschrieben, und inzwischen
       sind diese Bilder – EM-Fußballer mit ihren Kindern – zu sehen nicht mehr
       möglich. „Es ist immer süß, wenn die Kinder auf dem Platz spielen. Das sind
       schöne Bilder“, sagte Uefa-Turnierdirektor Martin Kallen zwar, „aber es ist
       eine Europameisterschaft und zumindest auf dem Rasen keine
       Familienveranstaltung.“ DFB-Teammanager Oliver Bierhoff findet diese
       Entscheidung auch richtig. Es ist dieses Fußballturnier also das, was es
       ganz traditionell immer war: ein homosoziales Männerprojekt, deren
       Mitglieder quasi vor, bei und nach der Arbeit zu sehen sind, aber nicht
       deren familiären Umstände. Trostlos, diese Renaissance der
       Traditionalisten.
       
       5 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
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