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       # taz.de -- Kommentar Zukunft der Türkei: Der Putsch nach dem Putsch
       
       > Die säkulare türkische Republik ist Geschichte. Was kommt jetzt? Eine
       > neue Verfassung mit einem allmächtigen Präsidenten.
       
   IMG Bild: Schon jetzt wird Erdoğan in seiner Partei nur noch mit „Führer“ angeredet, als Held des abgewehrten Putschs kommt nun auch noch ein Heiligenschein dazu
       
       Auf den Plätzen und Boulevards von Istanbul, Ankara und anderen türkischen
       Städten wird seit Samstagmorgen der Sieg der Demokratie gefeiert. Das
       heißt: Einige feiern, während andere angsterfüllt zu Hause sitzen. Und
       gefeiert wird auch nicht mit einem „Hoch auf die Demokratie“, sondern mit
       lauten „Allahu akbar“-Rufen. Aufgerufen zur Verteidigung der Demokratie
       hatten denn auch nicht die von einem vermeintlichen Militärputsch bedrohten
       Parteien, sondern die 85.000 Moscheen des Landes, die diese Aufrufe auch am
       Sonntagnachmittag noch fortsetzten.
       
       Dennoch: Am Samstagnachmittag stimmten auch die Oppositionsparteien in
       einer Sondersitzung des Parlaments feierlich einer gemeinsamen Erklärung
       zur Rettung der Demokratie zu – wohl wissend, dass es in dieser
       spezifischen Form der neuen türkischen Demokratie im besten Fall um ein
       Diktat der Mehrheit und im Regelfall um das Diktat eines einzelnen Mannes
       gehen wird. Schon jetzt wird Erdoğan in seiner Partei nur noch mit „Führer“
       angeredet, als Held des abgewehrten Putschs kommt nun auch noch ein
       Heiligenschein dazu.
       
       Entsprechend war die Spitze der kurdisch-linken HDP erst gar nicht
       anwesend. Und der säkulare Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu, der gerade
       erst zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde, weil er Erdoğan einen
       Möchtegern-Diktator genannt hatte, schaute während der gesamten Sitzung,
       als sei ihm schon klar, dass er das „Möchtegern“ demnächst weglassen kann.
       
       Die islamische Demokratie, die da auf den Straßen der Türkei Form annimmt,
       nutzt nun den gescheiterten Aufstand, um mit all denen abzurechnen, von
       denen sie glaubt, dass sie ihr vielleicht noch gefährlich werden könnte.
       Wahrscheinlich wird man im Rückblick feststellen, dass dieser 15. Juli, den
       Erdoğan jetzt zum „Tag der Demokratie“ ernennen möchte, das endgültige Ende
       der säkularen türkischen Republik eingeläutet hat – und zur Geburtsstunde
       der neuen islamischen Republik Erdoğans wurde.
       
       Noch weiß niemand, wie diese genau aussehen wird. Eine neue Verfassung mit
       einem allmächtigen Präsidenten wird kommen – und auch die übrigen
       Institutionen werden für die neue Republik jetzt neu aufgestellt. Es ist
       eine Art Revolution, die in der Türkei ihren Lauf nimmt. Wie immer bei
       Revolutionen ist nicht klar, was am Ende dabei herauskommt.
       
       17 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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