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       # taz.de -- Kommentar Flüchtlingsdeal EU-Türkei: Das Ende eines Prinzips
       
       > Der mit einem Milliardenbetrag erkaufte Flüchtlingsdeal fällt jetzt der
       > Kanzlerin auf die Füße. Denn mit Erdoğan darf man keine Geschäfte machen.
       
   IMG Bild: Das konnte ja nicht gutgehen: Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan (Archivbild vom Mai 2016)
       
       Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie halbgar der Flüchtlingsdeal
       der Großen Koalition mit der Regierung in Ankara war, so ist dieser Beweis
       nun erbracht. Geld gegen Schließungen der Grenzen zu Europa – so könnte man
       grob umschreiben, was die Bundesregierung mit dem Autokraten Recep Tayyip
       Erdoğan vereinbart hat. Jetzt fällt dieser Deal Merkel auf die Füße.
       
       Nach dem gescheiterten Militärputsch vom Wochenende muss sich die Kanzlerin
       fragen lassen, ob sie es verantworten kann, flüchtende Menschen einem Staat
       wie der Türkei anzuvertrauen, dessen demokratische Standards immer weiter
       erodieren. Ihre Antwort darauf müsste lauten: Nein. Aber ein solches Nein
       aus Berlin bleibt aus.
       
       Stattdessen lässt die Kanzlerin ihren Sprecher selbst in diesem Augenblick
       des Aufruhrs ausrichten, Berlin erwarte die Einhaltung des
       Flüchtlingsabkommens: Die Europäische Union erfülle ihre Zusagen – „Wir
       erwarten das auch von der Türkei.“ Den Putschversuch und den
       Flüchtlingsdeal sehe man gern „getrennt“.
       
       Berlin wünscht sich also nichts weniger als stille Vertragstreue, und zwar
       von einem Land, in dem aktuell politische Gegner gelyncht, Journalisten
       eingeschüchtert und Vertreter der Justiz und der Polizei eingesperrt
       werden. Einem Land, dessen Präsident all diese gravierenden Verstöße als
       quasi legitime „Säuberungen“ bezeichnet. Dieser Mann soll also weiter
       Angela Merkels Partner sein?
       
       Auf dem Spiel steht nun nichts Geringeres als die innenpolitische
       Glaubwürdigkeit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Einerseits
       regierungsamtlich die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu fordern
       und zugleich diesem offensichtlich unberechenbaren Staat und dessen
       Präsidenten Menschen in Not anzuvertrauen – das passt einfach nicht
       zusammen.
       
       Die Kanzlerin wollte unsichtbare Flüchtlinge. Deshalb war sie für den
       6-Milliarden-Deal mit der Türkei. Viele ihrer Wähler waren nicht länger
       bereit gewesen, die „Wir schaffen das“-Linie der CDU-Kanzlerin mitzutragen.
       Länder und Kommunen ächzten unter der riesigen Aufgabe, während auf der
       rechten Flanke die Hetzer fleißig Zustimmungspunkte sammelten.
       
       Und tatsächlich, seit die Flüchtenden in der Türkei nicht mehr
       weiterkommen, ist es innenpolitisch ruhiger geworden. Doch um welchen
       Preis. Geld gegen Prinzipien – das hat noch nie funktioniert.
       
       18 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
       ## TAGS
       
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