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       # taz.de -- Schnelle Arbeit für Flüchtlinge: Mit McMenü in die Arbeitswelt
       
       > Großunternehmen bieten Flüchtlingen keine Perspektive. Fastfood-Ketten
       > und Versandhändler haben dagegen großen Bedarf.
       
   IMG Bild: Daran könnte sich so mancher Großkonzern ein Beispiel nehmen: Schnellimbisse schaffen Arbeit
       
       Berlin taz | Die Zahl ist ernüchternd: Die 30 größten Unternehmen im
       Deutschen Aktienindex haben bisher nur 54 Flüchtlinge fest angestellt.
       Insgesamt. Doch während die Großunternehmen den Flüchtlingen kaum eine
       Perspektive bieten, zeigen sich die weniger geachteten
       Dienstleistungsbranchen wie der Gaststättenbereich und der Versandhandel
       aufnahmebereiter: „Wir haben Integrationskompetenz, das kommt uns jetzt
       zugute“, sagt Valerie Holsboer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes
       Systemgastronomie.
       
       Im Verband sind Fastfood-Ketten wie McDonald’s und Burger King vertreten.
       80 Prozent der Mitarbeiter in der Branche haben Migrationshintergrund, etwa
       70 Prozent sind Angelernte ohne formalen Berufsabschluss. Es gibt zwar
       keine genauen Zahlen über Asylbewerber und Flüchtlinge in den Unternehmen,
       bei einer Stichprobe meldeten sich laut Holsboer aber 50 Restaurants zurück
       und gaben an, insgesamt 300 Personen mit Fluchthintergrund zu beschäftigen.
       
       „Viele haben früher die Nase darüber gerümpft, dass wir so viele
       Beschäftigte ohne Vorqualifikation und mit Migrationshintergrund haben.
       Heute haben wir die Nase vorn bei der Schaffung von Chancen für
       Flüchtlinge“, meint Holsboer. Das fängt bei der Sprachvielfalt an. Kommt
       ein Neueinsteiger etwa aus einem arabischen Land, dann „findet sich meist
       im Restaurant jemand, der Arabisch und Deutsch spricht und bei der
       Einweisung helfen kann“, sagt die Verbandsfrau.
       
       Für Einsteiger in der Systemgastronomie wird der Mindestlohn von 8,50 Euro
       gezahlt. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit haben von April
       2015 bis März 2016 rund 21.000 Leute aus den acht wichtigsten
       nichteuropäischen Asylherkunftsländern einen
       sozialversicherungspflichtigen Job in Deutschland gefunden, darunter 3.500
       Personen im Gastgewerbe.
       
       Zu den Branchen mit niedrigen Einstiegshürden gehören auch der
       Versandhandel und die Logistik. Beim Versandhändler Amazon arbeiten laut
       einem Unternehmenssprecher unter anderem 38 Flüchtlinge im Zentrum Bad
       Hersfeld.
       
       ## Der Bedarf ist groß
       
       In der Region führte die Arbeitsagentur für Flüchtlinge ein vereinfachtes
       Arbeitserlaubnisverfahren ein, da der Bedarf an Arbeitskräften für den
       Versandhandel dort so groß war. Es wurde also nicht mehr im Rahmen der
       „Vorrangprüfung“ geschaut, ob Deutsche oder EU-Ausländer für diese Jobs zur
       Verfügung stünden. „In der jüngeren Vergangenheit sind zahlreiche Menschen
       mit Fluchthintergrund in diese Branche eingemündet“, sagt Waldemar
       Dombrowski, Chef der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda.
       
       Auch andernorts wenden die Behörden die Vorrangprüfung nicht mehr streng
       an. Das jetzt im Bundestag verabschiedete Integrationsgesetz erleichtert es
       den Agenturen weiter, auf die Vorrangprüfung zu verzichten.
       
       Doch während Dienstleistungsunternehmen mit automatisierten
       Handlungsabläufen relativ offen sind für Flüchtlinge, wünschen sich
       Handwerk und Industrie mehr geeignete BewerberInnen für ihre langjährigen
       Berufsausbildungen. Eine dreijährige, gering bezahlte Lehre mit
       Berufsschulprüfung passt aber nicht zu den Voraussetzungen mancher
       Flüchtlinge, die jung und motiviert sind, aber aus einem anderen
       Schulsystem kommen und nicht selten unter dem Druck stehen, möglichst rasch
       Geld zu verdienen und nach Hause zu schicken.
       
       „Das Konzept einer zertifizierten, dualen Ausbildung ist nur in wenigen
       Ländern außerhalb Deutschlands bekannt“, heißt es in einem Bericht der
       Bundesagentur für Arbeit. Und weiter: „Flüchtlinge verfügen durchaus über
       Kompetenzen; fehlende Nachweise (. . .) führen aber zunächst zu einer
       Kennzeichnung ‚ohne abgeschlossene Berufsausbildung‘.“
       
       Die Dienstleistungsbranchen, in denen Learning by Doing dominiert, bieten
       in diesen Fällen den leichtesten Zugang – und ähneln vielleicht auch noch
       am ehesten den Wirtschaftsstrukturen im Herkunftsland, wo das Aufstiegsziel
       nicht unbedingt ein Zertifikat ist, sondern die Selbständigkeit.
       
       12 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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