# taz.de -- Kommentar Geheimabsprachen in Ba-Wü: Mit den Werkzeugen eines Profis
> Kretschmann kennt sich aus im Mauscheln und gibt es offen zu. Doch er hat
> Misstrauen gesät, das seine jetzige Offenheit nicht zerstreuen kann.
IMG Bild: Was hat er sich bei seiner Vereidigung wohl heimlich gedacht?
„Zu viel Weihrauch rußt den Heiligen“, sagt man in katholischen Gegenden.
Im baden-württembergischen Wahlkampf konnte es noch kürzlich nicht zuviel
Weihrauch sein. Winfried Kretschmann präsentierte sich als bürgernaher
Meister Eder, der Politik zur Stilfrage erhob. Wer nicht bei drei auf dem
Baum war, bekam von ihm ein Hannah-Arendt-Zitat mit auf den Weg.
Jetzt wurde bekannt, dass die grün-schwarze Koalition geheime
Nebenabsprachen getroffen hat. Seit gestern ist das Dokument öffentlich
lesbar. Inhaltlich findet sich darin wenig Empörendes. Eher ist es ein
schlampig zusammengeklopfter Ehevertrag zwischen Partnern, die sich nicht
recht über den Weg trauen. Das soll Streit unter den Koalitionspartnern
vermeiden. Aber diese Intransparenz ist der Lichtgestalt Kretschmann jetzt
auf die Füße gefallen.
Es ist an der Zeit, den derzeit beliebtesten Politiker Deutschlands als den
zu sehen, der er ist: Ein erfolgreicher, aber auch mit allen Wassern
gewaschener Politprofi. Einer, der die üblichen Werkzeuge auspackt, wenn es
darum geht, eine Koalition aus widerstrebenden Partnern zu zimmern.
Er habe schon immer gemauschelt, sagt Kretschmann nun entwaffnend offen.
Als Gründungsmitglied der Grünen wisse er: Ohne ein Minimum an Taktik müsse
man in der Politik scheitern. Beides stimmt vermutlich. Aber als „Politiker
des Gehörtwerdens“ könnte er auch wissen: Milliardenschwere geheime
Regierungsabsprachen sorgen, selbst wenn sie nicht ohne das Parlament
verabschiedet werden können, für Misstrauen. Sie passen weder zum
(Selbst-)Bild der Grünen noch zu einem Ministerpräsidenten, der Vertrauen
als „knappste Ressource der Politik“ bezeichnet.
Der ertappte Katholik Kretschmann versprach jetzt reuig, er werde es
bestimmt nicht wieder tun. Darauf sollte man sich nicht verlassen. Denn
auch für den grünen Regierungschef ist Politik im Zweifel keine Stil-,
sondern eine Machtfrage.
20 Jul 2016
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DIR Benno Stieber
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