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       # taz.de -- Geheimabsprachen im Landtag Ba-Wü: „Sie müssen es halt so nehmen“
       
       > Der Lack bekommt Risse: Winfried Kretschmann kommt vor dem Landtag wegen
       > der geheimen Nebenabrede mit dem Koalitionspartner in Bedrängnis.
       
   IMG Bild: Erst groß den Mund aufreißen und dann plötzlich die Stimme verlieren. Das haben wir gerne
       
       Stuttgart taz | Nicht nur der Lack des sich so gerne als bürgernah gebenden
       Ministerpräsidenten bekommt an diesem Vormittag im Stuttgarter Landtag
       Risse, auch seine Stimme lässt Winfried Kretschmann am Ende im Stich.
       Wortreich versucht der Grüne zu rechtfertigen, warum er die Nebenabsprachen
       mit dem Koalitionspartner CDU vor der Öffentlichkeit geheim gehalten hat.
       Er muss husten und wird zusehends heiser. Am Ende sagt er: „Jetzt ist
       leider meine Stimme weg, drum höre ich auf.“
       
       Es ist nicht gerade der stärkste Auftritt von Kretschmann im Parlament. Am
       Wochenende wurde bekannt, dass es neben dem Koalitionsvertrag der
       grün-schwarzen Koalition eine Geheimabsprache zwischen Grünen und CDU gibt,
       in der 42 Projekte vom Wohnungsbau bis zur Digitalisierung mit Kosten von
       insgesamt über 2 Milliarden Euro vereinbart wurden.
       
       Der Haken an diesem Wunschpaket: Dort steht geschrieben, diese Projekte
       stünden nicht unter dem Finanzierungsvorbehalt. Mit anderen Worten: sie
       werden durchgezogen, egal ob dafür neue Schulden gemacht werden müssen oder
       nicht.
       
       Kretschmann müht sich in seiner Rede, den offensichtlichen Widerspruch
       zwischen dieser Vereinbarung und der im Koalitionsvertrag vereinbarten
       Haushaltskonsolidierung aufzulösen. „Für alle diese geplanten Ausgaben gilt
       selbstverständlich der Haushaltsvorbehalt“, sagt Kretschmann nun vor dem
       Landtag. Als ihm Widerspruch aus dem Plenum entgegenbrandet, sagt er: „Ich
       hab es so interpretiert, dann müssen Sie es halt so nehmen.“
       
       „Ich glaube ihnen nicht“, beschied ihm Andreas Stoch, bis März unter
       Grün-Rot Kultusminister und jetzt Oppositionsführer der SPD. Kretschmann
       habe mit keinem Wort erklären können, warum die Nebenabsprachen vor der
       Öffentlichkeit und sogar den eigenen Leuten geheim gehalten wurden. Es
       mangele der Regierung offenbar an Respekt gegenüber dem Parlament.
       
       Zudem werde die Öffentlichkeit getäuscht: „Im Koalitionsvertrag hängen Sie
       sich ein Mäntelchen des Haushaltskonsolidierers um, in Wahrheit haben Sie
       Projekte im Wert von 2 Milliarden vereinbart.“ Eine schlüssige Antwort
       bleiben alle Redner der Regierungsfraktionen an diesem Tag schuldig.
       
       Zusätzlich peinlich für Kretschmann: Er hatte sich seit dem Wochenende
       damit verteidigt, man habe die geheimen Nebenabsprachen nach dem Vorbild
       der schwarz-grünen Koalition in Hessen angefertigt. Sie seien das
       Geheimnis, warum dort Union und Grüne geräuschlos und erfolgreich
       regierten. In der Landtagsdebatte zitierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich
       Rülke das Dementi der hessischen Landesregierung: In Hessen stünden alle
       Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Kretschmann damit konfrontiert,
       antwortete matt: „Dann habe ich mich getäuscht“.
       
       Schon am Tag zuvor vor der Presse hatte Kretschmann erklärt, er sei nie für
       bedingungslose Transparenz gewesen. Er verweist auf die Anfänge der Grünen,
       als man genau dieses versucht habe. „Wir sind damit gescheitert.“
       
       20 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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