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       # taz.de -- Völkermord in Ruanda: Verdächtiger in deutscher Haft
       
       > Ein von Ruanda gesuchter neuseeländischer Staatsbürger wurde in Frankfurt
       > festgenommen. Ruanda beantragt seine Auslieferung.
       
   IMG Bild: Enoch Ruhigira wird als Mitwisser der Planung des Völkermordes in Ruanda gesucht
       
       Berlin taz | Die deutschen Behörden haben einen von Ruanda gesuchten
       mutmaßlichen Mittäter des Völkermords an den Tutsi 1994 festgenommen. Wie
       die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegenüber der taz bestätigte,
       nahmen Bundespolizisten am Frankfurter Flughafen am vergangenen Mittwoch
       „aufgrund eines Fahndungs- und Festnahmeersuchens ruandischer Behörden“
       einen 65-jährigen neuseeländischen Staatsangehörigen „zur Vorbereitung
       seiner Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung“ fest.
       
       Das Oberlandesgericht Frankfurt prüft jetzt die Anordnung der
       Auslieferungshaft. Die Staatsanwaltschaft wollte Einzelheiten zur Person
       weder bestätigen noch dementieren.
       
       Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem Festgenommenen um Enoch
       Ruhigira, den letzten Kabinettsdirektor des ehemaligen ruandischen
       Präsidenten Juvénal Habyarimana. Dessen Ermordung am 6. April 1994 war der
       Start für Massaker an über 800.000 Tutsi und Hutu-Regimegegnern. Ruhigira
       floh damals aus Ruanda, ist heute 65 Jahre alt und lebt seit vielen Jahren
       in Neuseeland, das ihn eingebürgert hat. Es gibt keinen anderen von Ruanda
       gesuchten 65-Jährigen in Neuseeland.
       
       In der Vergangenheit haben die deutschen Behörden Auslieferungen nach
       Ruanda abgelehnt, weil Zweifel daran bestanden, dass dort ein
       rechtsstaatliches Verfahren möglich sei. Die letzten entsprechenden Anträge
       stammen aus dem Jahr 2008 und betrafen unter anderem den als Flüchtling in
       Deutschland lebenden ruandischen ehemaligen Bürgermeister Onesphore
       Rwabukombe, der in Frankfurt festgenommen worden war, sowie
       Führungsverantwortliche der im Kongo als Sammelbecken der am Völkermord
       Beteiligten kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte
       zur Befreiung Ruandas).
       
       Weil sie nicht nach Ruanda ausgeliefert wurden, kamen sie in Deutschland
       vor Gericht. So wurde Rwabukombe Ende 2015 vom Oberlandesgericht Frankfurt
       wegen Völkermords zu lebenslanger Haft verurteilt.
       
       Im Oktober 2011 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschrechte indes
       die Auslieferung eines in Schweden lebenden Ruanders für zulässig; dies
       gilt als Präzedenzfall. Die deutschen Behörden müssen nun entscheiden, ob
       sie der europäischen Rechtsprechung folgen. 
       
       ## Am Flughafen von Kigali
       
       Als eine Rakete am Abend des 6. April 1994 über Kigali das Flugzeug traf,
       in dem Ruandas Präsident Juvénal Habyarimana gerade von einem Gipfel
       zurückkehrte, stand sein Kabinettschef Enoch Ruhigira empfangsbereit am
       Flughafen.
       
       In der Tasche hatte er schon Anweisungen, das vereinbarte Übergangskabinett
       zu bilden, das die damals in Ruanda kämpfenden Tutsi-Rebellen in die
       Regierung einbinden sollte. Radikale Hutu bekämpften diesen Plan. Die
       Friedensregelung ging mit dem Präsidentenflugzeug in Flammen auf.
       
       Der Kabinettschef bat den französischen Botschafter sowie den UN-Chef in
       Kigali um Hilfe. Doch weder Frankreich noch die UNO griff ein, als die
       Radikalen begannen, Gegner der Hutu-Regierung sowie alle Tutsi Ruandas
       abzuschlachten – ein Völkermord, der über 800.000 Tote fordern sollte.
       
       Als Mitwisser der Planung dieses Völkermordes wird der damalige
       Kabinettschef seitdem von Ruanda gesucht. Dort herrschen seit Juli 1994 die
       einstigen Tutsi-Rebellen unter Präsident Paul Kagame. Ruhigira setzte sich
       damals nach Belgien ab und landete in Neuseeland, dessen Staatsbürgerschaft
       er annahm.
       
       Der 1951 im Distrikt Kibuye geborene Ruhigira wurde 1991
       „Präsidialminister“ Habyarimanas und dann Kabinettsdirektor. Er war einer
       der engsten Mitarbeiter des Präsidenten, aber auch einer der diskretesten.
       Das UN-Ruanda-Völkermord-Tribunal klagte ihn weder an, noch lud es ihn je
       als Zeugen. Erst 2011, nach langem Schweigen im Exil, meldete sich Ruhigira
       mit seinen Memoiren zu Wort.
       
       Die Folge: Er kam in seiner Wahlheimat am anderen Ende der Welt in
       juristische Bedrängnis, zumal Ruanda auf seine Auslieferung drängte: Auf
       der aktuellen Liste der ruandischen Generalstaatsanwaltschaft mit gesuchten
       Völkermordverantwortlichen steht Ruhigira auf Platz 126.
       
       Den Haftbefehl bestätigten Ruandas Behörden erst vor Kurzem. Jetzt ging der
       Polizei am Frankfurter Flughafen ein 65-jähriger von Ruanda gesuchter
       Neuseeländer ins Netz: Es konnte nur Ruhigira sein.
       
       25 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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