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       # taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Böses Mädchen, schiefe Bahn – gähn!
       
       > Die Serie „The Girlfriend Experience“ hätte das Zeug zu einer innovativen
       > Heldinnengeschichte. Stattdessen verschenkt sie ihr Potenzial.
       
   IMG Bild: Ist natürlich irre hübsch: Riley Keough, Hauptdarstellerin aus „The Girlfriend Experience“
       
       Bei keiner Serie ist so entscheidend, dass man die Staffel bis zu Ende
       guckt: „The Girlfriend Experience“, eine Serie, die auf dem gleichnamigen
       Film von Steven Soderbergh aus dem Jahr 2009 basiert. Tut man das nicht,
       versteht man alles falsch. Dass das so ist, zeugt von der vertanen Chance
       der MacherInnen, endlich mal ein anderes Narrativ von weiblichen
       Bedürfnissen zu erzählen.
       
       „The Girlfriend Experience“ lief im April 2016 auf dem US-Pay-TV-Sender
       starz und der zugehörigen Onlineplattform und erzählt die Geschichte der
       jungen Jurastudentin Christine Reade, gespielt von Riley Keough, Elvis
       Presleys Enkeltochter.
       
       Reade ist klug, ehrgeizig und eine Lonerin. Und sie weiß, wie sie ein
       Praktikum in einer begehrten Anwaltskanzlei ergattern kann: Sie erzählt
       beim Vorstellungsgespräch einfach, was die Partner hören wollen. Ob sie
       deren Werte teilt, ist unerheblich. Es wird klar: Für ihren Erfolg zählt
       nur, dass sie eine überzeugende Show abliefert.
       
       ## Material für Heldinnengeschichte
       
       Reade hat genau eine Freundin, wenn man Avery (Kate Lyn Sheil) so nennen
       kann. Und die verdient ihr Geld als High End Escort. Natürlich ist Reade
       atemberaubend schön und so hat sie keine Mühe, bald ebenfalls für reiche
       Männer das stets verfügbare „Girlfriend“ zu mimen, das zuhört und mitmacht
       und sonst keine Ansprüche stellt. Auch hier gilt: Performance ist alles.
       
       Im Gegenzug verdient sie eine Menge Geld, kann sich eine schicke Wohnung
       leisten und im Hotelzimmer auf Kosten des Freiers die teuerste Flasche Wein
       UND den teuersten Champagner bestellen.
       
       Das alles böte genügend Material, um eine neue Heldinnengeschichte zu
       erzählen. Von einer Frau, die sich männlich konnotiertes Verhalten zu eigen
       macht. Die auf Familie, Freunde oder eine Beziehung keinen Wert legt, die
       für das Erreichen ihrer Ziele rationale Entscheidungen trifft – und die
       damit Erfolg hat. Ein Verhalten, das in Managerkreisen normal ist und das
       in zahlreichen Serien („Suits“, „Mad Men“, „Homeland“ „House of Cards“)
       perpetuiert wird. Aber weit gefehlt. Was sich stattdessen durch die ersten
       zwölf der insgesamt dreizehn Folgen zieht, ist die bekannte und
       klischeebeladene Geschichte des „bösen Mädchens“, das auf die „schiefe
       Bahn“ gerät und dann sieht, was es davon hat.
       
       ## Skrupellos auch ohne Mann
       
       Bei ihrer Familie gilt sie als gefühllose Soziopathin, die den Ruf
       beschmutzt. Eifersüchtige Kunden wollen nicht wahrhaben, dass das Bunny nur
       eine Rolle ist, für die sie bezahlt haben, und versuchen mithilfe heimlich
       mitgeschnittener Videos Reades Karriere zu ersticken. Sie wird betrogen,
       belogen und bedroht, so lange, bis sie abzurutschen droht. Erst die letzte
       Folge reißt in Andeutungen das Ruder herum.
       
       Liebe SerienmacherInnen: Das reicht nicht. Und das ist langweilig und doof.
       Warum, zum Henker, kann Christine Reades Rolle nicht deshalb faszinieren,
       weil sie von Anfang an mit ihrer kalten Passion fürs Rationale über alle
       triumphiert, statt mit pochendem Herzen auf dem Heimweg vor Angst zu
       vergehen? Warum brauchen Frauen einen skrupellosen Mann wie Frank Underwood
       in „House of Cards“ an ihrer Seite oder eine bipolare Störung wie Carry
       Mathison in „Homeland“, um skrupellos zu sein? Verdammt noch mal, wir
       schreiben das Jahr 2016!
       
       27 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marlene Halser
       
       ## TAGS
       
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