# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Erdoğans lange Liste
> Im Gegensatz zum Mutterblatt kann die Deutschland-Ausgabe der „Zaman“
> nicht von der Türkei verboten werden. Doch der Druck Ankaras ist groß.
IMG Bild: Vom türkischen Staat beschlagnahmt: die Zentrale der Zeitung „Zaman“ in Istanbul
Berlin taz | In der Berliner Deutschland-Redaktion der Zeitung Zaman
versuchen die RedakteurInnen, sich auf ihren Job zu konzentrieren. Das
fällt schwer. Wie lange die in Deutschland erscheinende Ausgabe der einst
größten türkischen Tageszeitung noch erscheinen kann, ist ungewiss.
„Unsere Leser werden von Erdoğan-nahen Aktivisten unter Druck gesetzt“,
berichtet Chefredakteur Dursun Çelik. „Wer mit unserem Blatt gesehen wird,
muss damit rechnen, bei den türkischen Behörden denunziert zu werden.“
Bis sie im März unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt wurde, galt die
Zaman mit einer offiziellen Auflage von über einer halben Million
Exemplaren als das publizistische Flaggschiff der Gülen-Bewegung in der
Türkei. Nach der Gleichschaltung des Mutterblattes machte sich die
Redaktion in Deutschland selbstständig.
Der türkischen Zaman hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan per
Notstandsdekret am Mittwochabend den endgültigen Todesstoß versetzt. Auf
seiner Schließungsliste, die im türkischen Amtsblatt T. C. Resmî Gazete
veröffentlicht wurde, stehen noch 44 weitere Zeitungen, 15 Zeitschriften,
drei Nachrichtenagenturen, 16 Fernsehstationen und 23 Radiosender.
Betroffen sind neben lokalen Medien unter anderem die Tageszeitungen Yarına
Bakış, Yeni Hayat und Taraf sowie die Nachrichtenmagazine Aksiyon und
Nokta. Verboten wurden kurioserweise auch Zeitungen, die bereits nicht mehr
existieren, wie die im Februar eingestellten Titel Bugün und Millet.
„Jene privaten Funk- und Fernsehunternehmen sowie Zeitungen und
Zeitschriften als auch Verlage und Distributionskanäle, die der
terroristischen Gülen-Bewegung angehören, mit ihr in Verbindung stehen oder
sich in ihrer Haftung befinden und deshalb eine Bedrohung für die nationale
Sicherheit darstellen, werden geschlossen“, heißt es in dem vom Ministerrat
abgesegneten Erlass Erdoğans. Ihr Vermögen wird konfisziert, Immobilien
beschlagnahmt.
[1][Zuvor waren am Mittwoch bereits Haftbefehle gegen 47 ehemalige
MitarbeiterInnen der Zaman erlassen worden]. „Regierung und Justiz der
Türkei haben in ihrem Eifer, Kritiker auszuschalten, offensichtlich jedes
Maß verloren“, kritisierte der „Reporter ohne Grenzen“-Geschäftsführer
Christian Mihr.
Aus der Türkei bekommt die Berliner Zaman-Redaktion inzwischen kaum mehr
Beiträge. Von sieben Journalisten, die vor Ort berichtet hatten, sind nur
noch zwei aktiv. Die anderen hätten schlichtweg Angst, berichtet
Chefredakteur Çelik.
Noch etwa 14.000 AbonnentInnen bekommen die deutsche Zaman täglich. Doch
seit dem gescheiterten Putschversuch und der Verhängung des
Ausnahmezustands in der Türkei werden es beinahe stündlich weniger. Mehr
als 500 Kündigungen gab es bis jetzt. Nach Angaben von CNN Türk hat der
türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Donnerstag nun auch noch von
Deutschland die Auslieferung von Gülen-Anhängern gefordert. Die Auflage
dürfte weiter bröckeln.
„Es macht mich fassungslos, wie weitreichend die Auswirkungen des
Ausnahmezustands in der Türkei sind und wie weit sie sogar nach Deutschland
reichen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV),
Frank Überall, der taz. Die Bundesregierung müsse endlich mit deutlichen
Worten Partei für die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei ergreifen.
29 Jul 2016
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DIR Pascal Beucker
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