# taz.de -- Fahrrad- und Autoverkehr: Gutscheine für den Schulterblick
> Viele Städte versuchen, ein besseres Miteinander der Verkehrsteilnehmer
> zu schaffen. Infrastrukturprojekte reichen dafür nicht.
IMG Bild: Auch sie kommen oftmals in einen Konflikt: Fußgänger und Radfahrer
Berlin taz | Eigentlich wollen Fußgänger, Autofahrer und Radler alle das
Gleiche: möglichst schnell und problemlos von A nach B gelangen. Dass sie
sich dabei jedoch regelmäßig in die Quere kommen, sorgt vor allem im Sommer
oft für ein aggressives Klima. Das soll sich ändern, finden die Städter: In
der Umfrage „Fahrradmonitor“ vom [1][Sinus Markt- und
Sozialforschungsinstitut] sagen 39 Prozent der Befragten, dass sie sich
Kampagnen zum besseren Miteinander aller Verkehrsteilnehmer wünschen.
Vor allem wer mit dem Rad unterwegs ist, leidet: Laut der Umfrage fühlt
sich jeder zweite Radfahrer im Verkehr unsicher.
Was die Leute sich dagegen wünschen, zeigt das Ergebnis einer lokalen
Befragung des Fahrradclubs ADFC Bielefeld: mehr Investitionen in den
Radverkehr. Bisher wird in der ostwestfälischen Stadt mit ihren gut 328.000
Einwohnern rund ein Euro pro Person jährlich für Radverkehr ausgegeben. Die
befragten Bielefelder fanden, es sollten 35 Euro sein, ein Zigfaches also.
Bei der Stadt kommt man nun ins Grübeln, aber eine klare Ansage gibt es
nicht.
Investitionen in die Infrastruktur sind das eine, Bewusstseinsbildung für
die unterschiedlichen Interessen der Verkehrsteilnehmer ist das andere.
Hier setzen die Kommune auf Webseiten, Flyer, Wettbewerbe und Aktionen.
In Wien startete die Stadt schon vor ein paar Jahren die Kampagne
„Tschuldigen ist nie verkehrt“. In Zürich heißt es auf der Homepage
„Generell-freundlich“: „Versuchen Sie den Stadtverkehr als großes
Miteinander zu sehen – als ein Teamwork und nicht als einen Kampf Alle
gegen alle. Das führt automatisch zu einer besseren Stimmung.“
## Das Thema emotionalisieren
Das Verkehrsbüro VAR in Darmstadt, ein Planungsbüro für Rad- und
Fußverkehr, hat schon Fahrradkampagnen für mehrere Städte in Süddeutschland
organisiert. Die Aufträge nähmen zu, weil das Thema Verkehrsplanung mit
zunehmendem Radverkehr in den Städten immer wichtiger werde, sagt Uwe
Petry.
Das Büro bietet „Neubürgerpakete – Mobil in meiner Stadt“ an, die etwa
Fahrradpläne und Gutscheine für den ÖPNV enthalten. „Man muss das Thema
emotionalisieren“, sagt Petry: „Wenn eine Stadt gute Verkehrswege und ein
gutes Verkehrsklima hat, ist die lokale Identifikation höher, die Menschen
bleiben lieber dort wohnen oder kehren nach der Ausbildung in ihren
Heimatort zurück.“
Der Verkehrsplaner Petry weist auf ein weiteres positives Beispiel hin: Die
Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg
(AGFK-BW) organisierte mit der Agentur fairkehr eine Brötchentüten-Aktion:
565 Bäcker bekamen Tüten mit der Aufschrift „Mit dem Rad zum Bäcker macht
die Brötchen doppelt lecker“ und Infografiken zu den gesundheitlichen
Vorteilen von Radfahrern.
## Positives Verhalten belohnen
Andere Ideen, diesmal für Autofahrer, kommen wieder aus Bielefeld: Um
positives Verhalten zu belohnen, hat die Stadt Polizisten eingesetzt, die
Autofahrer anhalten, wenn sie beim Abbiegen den Schulterblick machten, und
ihnen Gutscheine für eine Nacken-Massage schenken.
Was die Aktionen für die Sicherheit im Straßenverkehr bringen, ist schwer
messbar. „In Wien ist die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2010 und 2015 von
29 auf 11 Menschen jährlich zurückgegangen“, sagt der Wiener Mediensprecher
Andreas Baur.
Einen direkten Zusammenhang will er zwar nicht behaupten. Aber die Kampagne
habe Politiker, Fahrlehrer, Wirtschaftsvertreter, Verkehrsclubs und
Wissenschaftler zusammengebracht. „Da sprechen Verkehrsteilnehmer
miteinander, die sich ansonsten oft nicht grün sind“, sagt Baur.
Dieser Artikel wurde am 8. August 2016 um 16.40 leicht verändert.
7 Aug 2016
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DIR Sara Mierzwa
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