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       # taz.de -- Kinderarbeiter in Bangladesch getötet: Tödliche Bestrafung
       
       > Kinderarbeit ist in Bangladesch verboten, aber weit verbreitet. In einer
       > Textilfabrik wurde nun ein Neunjähriger zu Tode misshandelt.
       
   IMG Bild: Kurze Pause: Kinderarbeiter in einer Werft
       
       Berlin taz | Sagar B. wurde auf brutale Weise getötet. Der Neunjährige war
       am vorvergangenen Wochenende in einer Textilfabrik im Osten Bangladeschs
       mit stark aufgeblähtem Unterleib gefunden worden. Der Junge starb im
       Krankenhaus.
       
       Die obduzierenden Ärzte berichteten, ihm sei mit einem harten Objekt
       absichtlich Luft eingeführt worden. „Es scheint, als hätten die Vorarbeiter
       das Kind so bestrafen wollen“, sagte der örtliche Polizeichef Ismail
       Hossain der Nachrichtenagentur AFP. „Ihnen war nicht bewusst, dass das so
       tragisch enden könnte.“ Drei Personen wurden verhaftet.
       
       Der Fall sorgt in Bangladesch landesweit für Empörung. Der Todesfall
       selbst, noch mehr die Brutalität der Misshandlung, machen die Berichte zu
       Titelgeschichten. Aber auch die Erinnerung daran, dass Kinderarbeit in
       Bangladesch noch immer weit verbreitet ist – sogar im Textilsektor, der
       international häufig im Fokus steht.
       
       Jugendliche dürfen eigentlich erst ab einem Alter von 14 Jahren arbeiten
       und dann nur fünf Stunden täglich. Tatsächlich arbeiten laut Unicef mehr
       als 10 Prozent der Kinder zwischen 5 und 14 Jahren.
       
       In den Tagen nach Sagar B.s Tod „befreite“ die Polizei nach eigenen Angaben
       [1][27 weitere Kinder] aus der Fabrik. Doch viele Kinder werden
       absichtlich in die Betriebe geschickt. „Wir sind arm“, sagte Sagar B.s
       Vater [2][der New York Times]. „Ich dachte, es könnte hilfreich sein, wenn
       mein Sohn ein bisschen zum Einkommen beisteuert.“ Polizeichef Hossain
       sagte, der Fabrikbesitzer habe angegeben, aus „humanitären Gründen“ auch
       Kinder zu beschäftigen.
       
       Der Junge habe leere Garnspulen eingesammelt, gab der Vater weiter an.
       Getötet wurde Sagar B. offenbar, als er einen Luftkompressor putzte. Er
       verdiente monatlich rund 35 Euro.
       
       ## Nur ein halber Tag frei
       
       Der Tod von B. zeigt die Grenzen der internationalen Interventionen in die
       bengalische Textilindustrie auf. Die Garnfabrik, in der B. arbeitete,
       gehört nicht zu den Tausenden Textilfabriken, die in Bangladesch für den
       Export produzieren. Fabrikangestellten zufolge wird das Garn im Land
       weiterverkauft.
       
       Seit dem Einsturz des Rana Plaza 2013 setzen internationale Modelabels bei
       ihren Zulieferern höhere Sicherheits- und Arbeitsstandards durch. Doch bei
       solchen Fabriken bleibt oft alles beim Alten. Wenige ArbeiterInnen sind
       organisiert, und GewerkschafterInnen werden oft sowohl von BesitzerInnen
       als auch von Behörden schikaniert – daran hat sich auch nach 2013 kaum
       etwas geändert.
       
       2015 dokumentierte [3][der Fotograf Claudio Montesano Casillas] die
       Arbeitsbedingungen in solchen Fabriken. Dort wird oft in überfüllten Räumen
       ohne Notausgänge gearbeitet. Kinder besticken Stoffe, machen Geräte sauber
       oder färben Stoffe. Häufig leben die Kinderarbeiter in der Fabrik und haben
       wöchentlich nur einen halben Tag frei.
       
       Allerdings gibt es auch im Exportsektor weiterhin Kinderarbeit, die oft mit
       gefälschten Ausweisen vertuscht wird, in denen das Alter der ArbeiterInnen
       als höher angegeben ist. So fand [4][eine Dokumentation des britischen
       Senders ITV] im Jahr 2014 13-jährige Mädchen, die in Exportfabriken in
       11-Stunden-Schichten arbeiteten. Mit versteckten Kameras filmten die
       ArbeiterInnen, wie sie und andere beschimpft, geschlagen und zu Nachtarbeit
       gezwungen wurden. Der Modekonzern N. Brown beendete daraufhin die
       Zusammenarbeit mit der Fabrik: Er habe nichts von den illegalen und
       brutalen Bedingungen gewusst.
       
       ## Schleppende Inspektionen
       
       Solche Arbeitsbedingungen werden allerdings meist nur wie bei der
       Dokumentation under cover eingefangen. Offiziell dürfen die Firmen keine
       Kinder beschäftigen und müssen mit sofortiger Auslistung rechnen, wenn sie
       erwischt werden. Entsprechend beschäftigen sich die Textilbündnisse der
       internationalen Konzerne nicht mit der Vermeidung von verbotener
       Kinderarbeit – sie soll ja ohnehin nicht stattfinden.
       
       Die Sicherheitsinspektionen in Exportfabriken gehen derweil schleppend
       voran. Zwei Jahre nach Beginn der Inspektionen haben nur 21 der fast 4.000
       Fabriken ihre Mängel behoben, 117 wurden geschlossen.
       
       3 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://newagebd.net/242618/child-worker-sagar-killing/
   DIR [2] http://www.nytimes.com/2016/07/26/world/asia/bangladesh-child-worker-killed.html
   DIR [3] http://www.claudiomontesanocasillas.com/photogallery/beyond-the-label/#1
   DIR [4] http://www.theguardian.com/world/2014/feb/06/bangladesh-garment-factories-child-labour-uk
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lalon Sander
       
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