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       # taz.de -- Mobil gegen rechts: „Das ist unsere Heimat“
       
       > Unter dem Motto „Noch nicht komplett im Arsch – Zusammenhalten gegen
       > den Rechtsruck“ mobilisiert die Band „Feine Sahne Fischfilet“ in
       > Mecklenburg- Vorpommern.
       
   IMG Bild: Tristesse in Mecklenburg-Vorpommern: „Bleiben oder gehen?“, fragt die Band „Feine Sahne Fischfilet“ mit ihrem jüngsten Album – und antwortet: engagieren!
       
       taz: Wie passt Punk zu einer demokratiefördernden Kampagne, die das
       System unterstützt, Herr Gorkow? 
       
       Jan „Monchi“ Gorkow: Ich würde uns da nicht in so’ne Schublade stecken.
       Ich hör’ schon gerne Punk, aber ich hör’ auch Schlager! Ich finde sehr
       viel scheiße, was so passiert, aber hier bricht ja nicht gerade die
       Revolution aus. Es geht hier gerade voll nach hinten los. Wir haben
       die Möglichkeit, was zu tun, und darum ist es unsere Pflicht, das zu
       nutzten. Wenn das die Demokratie fördert, ist das doch gut. Das
       schließt sich doch nicht gegenseitig aus.
       
       Gerade auf dem Land gibt es auch Leute, die sich wenig mit Politik
       auseinandersetzten. Wie gehen Sie damit um? 
       
       Ich habe keinen Bock darauf, jemanden zu zwingen, sich mit Politik
       auseinanderzusetzen. Man kann niemanden zwingen, seine Meinung zu
       ändern. So lange die niemanden anderen angehen – was weiß ich, weil
       er woanders herkommt oder so –, sollen die mal machen. Ich habe viele
       Freunde, die mit Politik nicht viel anfangen können. Aber das macht
       ja nichts.
       
       Und was ist mit Leuten, die aus Protest AfD oder NPD wählen? 
       
       Das ist was anderes. Nur weil einem nicht gefällt, was gerade abgeht,
       ist es keine Lösung, rechte Scheiße zu wählen. Die Leute müssen
       wieder lernen, sich über Politik zu streiten! Ich versuche immer, mit
       den Leuten zu reden. „Nazis raus“, ruft jeder Vollidiot, man muss gute
       Argumente haben und sich auch mit den Gegenargumenten
       beschäftigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass Leute noch ernsthaft
       hinter einer Partei stehen. Ich versuche, mit vielen Leuten zu reden.
       
       Warum mobilisieren Sie gerade jetzt? 
       
       Wenn man hier mal rumfährt, sieht man nur AfD- und NPD- Plakate – nicht
       mal die Alibi-Plakate der SPD gibt es noch! Das ist kein linkes
       Gelaber, das ist echt so. Wir haben als Band gerade die Möglichkeit,
       Leute zu erreichen. Keine Ahnung, vielleicht interessiert sich in
       zwei Jahren keiner mehr für uns. Aber jetzt gerade geht das und damit
       haben wir die Pflicht, auch was zu tun. Wir gehen in Regionen, die
       andere schon völlig aufgegeben haben. Offizielle Stellen machen
       da nichts mehr. Und bei denen rumzuheulen, dass sie das mal sollten,
       ist nicht unsere Art – dann machen wir’s halt selbst!
       
       Was möchten Sie dem Rechtsruck entgegensetzten? 
       
       Wir können nicht die Welt retten und Mecklenburg-Vorpommern
       wahrscheinlich auch nicht. Aber es gibt hier geile Menschen, die es wert
       sind, sie zu supporten. Viele trauen sich gar nicht mehr, ihre Meinung
       zu sagen, weil man angegriffen wird, wenn man sich positioniert. Da
       muss man zusammenhalten und zeigen, dass es noch Leute gibt, die auch
       anderer Meinung sind.
       
       Sie sagen, dass Sie Wahlerfolge von AfD und NPD nicht aufhalten
       können? 
       
       Das wird am 4. September abends ein erbärmlicher Wahlausgang werden,
       darauf kann man sich einstellen. Mecklenburg ist das einzige
       Bundesland, wo die NPD noch im Landtag ist – und es wahrscheinlich
       auch wieder sein wird! Und die AfD spricht davon, vielleicht stärkste
       Kraft zu werden. Die Prognosen rechnen mit 20 Prozent. Das können wir
       nicht ändern. Aber wir können den Leuten hier Kraft geben – das ist
       realistisch. Wir hören immer: „Geil, dass ihr herkommt! Geil, dass ihr
       was macht!“
       
       Wie sieht es woanders aus? 
       
       Klar gibt es das Problem auch woanders. Aber wir kommen halt von hier.
       Das ist unsere Heimat. Hier leben wir und hier sind Wahlen. Wir werden
       oft gefragt, warum wir das nicht auch woanders machen. Aber ich habe da
       kein schlechtes Gewissen. Wenn jemand Material braucht, Dateien
       der Plakate oder so – können die alles haben! Da freuen wir uns n Arsch
       drüber! Aber wir leben hier und wenn die dann fragen: „Warum macht ihr
       nichts bei uns?“ – Ja, warum machst du denn nichts?
       
       Wie kann ich mir Ihre Veranstaltungen vorstellen? Wie lief zum
       Beispiel der Abend in der Kesselbar in Wolgast? 
       
       Das war megacool! Die Kesselbar hat so mit 40–50 Leuten gerechnet,
       aber eine halbe Stunde vorher waren schon 100 da – voll geil! Viele kamen
       aus der Region, viele Kids, aber auch viele Ältere. Insgesamt echt
       ein gemischtes Publikum und es entstand eine schöne Diskussion.
       Voll die entspannte Laberrunde! Und wann waren denn bitte das letzte
       Mal 100 Leute in der Kesselbar, um sich politisch auszutauschen?!
       
       Manchmal werden die Konzerte aber auch angegriffen …? 
       
       Die negative Resonanz gehört dazu. Das ist jetzt kein Schock, dass so
       was passiert. In Greifswald wurde am selben Abend, an dem wir unsere
       Auftaktveranstaltung hatten, das Auto von Michael angezündet. Wir
       glauben nicht, dass das ein Zufall war: Er ist ein guter Freund der Band,
       der sich seit Jahren gegen Neonazis engagiert und das Auto war bei
       vielen Kundgebungen dabei. Natürlich gibt es die ganzen Drohungen
       vor den Veranstaltungen: „Danke, dass wir jetzt eure Termine
       kennen“, und so was. Wenn du dich positionierst, wirst du
       angegriffen – da sind wir nicht die Einzigen.
       
       10 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pia Siber
       
       ## TAGS
       
   DIR Punk
   DIR Feine Sahne Fischfilet
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
   DIR Feine Sahne Fischfilet
   DIR Berlinwahl 2016
       
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