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       # taz.de -- Entgleisungen des Boris Johnson: Bruder Leichtfuß auf Weltreise
       
       > Mr. Brexit als neuer Chefdiplomat Großbritanniens? Auf seinen Reisen um
       > die Welt ließ Boris Johnson bisher kein Fettnäpfchen aus.
       
   IMG Bild: Diplomatie mit dem Ellenbogen, dafür reist Boris um die Welt
       
       Berlin taz | In den vergangenen Tagen wurde viel über den Charakter der
       Frau spekuliert, die gestern in die Downing Street 10 gezogen ist. Theresa
       May, eine linke Margaret Thatcher? Eine britische Merkel? Jetzt hat die
       Regierungschefin jedenfalls bewiesen, mehr als eine nüchterne Strategin zu
       sein. May hat Mr. Brexit himself, Boris Johnson, zum neuen Außenminister
       gekürt. Und die Welt rätselt jetzt: Will sie das Königreich mit britischem
       Humor regieren?
       
       Kurz nach dem Brexit-Votum hatte sich der Chef der Brexit-Kampagne
       eigentlich auf ein Cricketfeld verzogen, und wenig später angekündigt, sich
       aus dem politischen Rennen um die Downing Street verabschieden zu wollen.
       Umso zerzauster wirkte Johnsons strohblonde Mähne, als er am Mittwochabend
       vor die Kameras der BBC trat: Es sei „dankbar“, sagte der Brexiteer.
       Schließlich biete das neue Verhältnis zu Europa und dem Rest der Welt eine
       „große Erfolgschance für sein Land.“
       
       Das Ausland reagierte erstaunt über das neue Amt des großen Buhmanns der
       britischen EU-Austrittsgegner. Denn in der Vergangenheit bewies Johnson auf
       dem diplomatischen Parkett wenig Feingefühl. Vielmehr wird er erst einmal
       auf globale Entschuldigungstour gehen müssen. Die Liste von Johnsons
       Entgleisungen ist lang: 2007 bezeichnete er die demokratische
       Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton als „sadistische
       Krankenschwester in einer Nervenklinik“. Wenn Bill Clinton Hillary
       aushalte, hatte [1][seiner Kolumne] für den Daily Telegraph geschrieben,
       sei er „allen Katastrophen gewachsen“.
       
       Als im Weißen Haus eine Büste von Winston Churchill entfernt wurde, zog der
       ehemalige Londoner Bürgermeister auch gnadenlos über Barack Obama her: Dies
       sei das Symbol eines „zum Teil kenianische Präsidenten“, der seine
       „Abneigung gegen die Vorfahren des britischen Empires“ zeige, [2][schrieb
       Johnson], dessen Aufgabe es nun sein wird, den bevorstehenden EU-Austritt
       seines Landes international zu vertreten.
       
       ## Erdogan, „ein großartiger Wichser“
       
       Als der Sprecher des US-State Department Mark Toner die Nachricht erfuhr,
       [3][kämpfte er sichtlich damit], eine ernste Miene zu behalten, eher er
       verkündete, dass sich die USA auf eine Zusammenarbeit mit Johnson „freuen“
       würden. Der Politikwissenschaftler Ian Bremmer hoffte dennoch, es sei ein
       elaborierter Witz Theresa Mays: „Vielleicht nehmen uns die Briten einfach
       nur auf den Arm“, schrieb er auf Twitter.
       
       Auch in der Türkei dürfte die Nachricht über Johnsons neues Amt nicht
       gerade für Begeisterungsstürme sorgen. Nach der Affäre um Böhmermanns
       Schmähgedicht über Präsident Recep Tayyip Erdogan fühlte Johnson sich
       inspiriert, sein persönliches Anti-Erdogan-Gedicht zu verfassen. [4][Bei
       einem Wettbewerb], ausgeschrieben von der Londoner Zeitung The Spectator,
       siegte Johnson mit diesen knackigen Versen: „Da war einmal ein junger Typ
       aus Ankara, der war ein großartiger Wichser, bis er sich seine Hörner mit
       einer Ziege abstieß und ihr dafür nicht einmal dankte.“
       
       Johnson ist kein Mann, der seine Botschaften in hohle Phrasen verpackt,
       wenn es im Klartext doch viel besser geht. Der große Verkäufer seiner
       selbst, der vorzugsweise mit Hemd und zerbeulten Hosen in London aufritt,
       warb schließlich schon im Bürgermeisterwahlkampf, mit seiner Partei würden
       „Frauen größere Brüste bekommen“ und sich die Chance der Briten verbessern,
       „einen BMW M3 zu besitzen.“
       
       Dementprechend erstaunt über die Entscheidung Mays war man auch in den
       Reihen der Tories, wo Johnson das Image des „Bruder Leichtfuß“ anhaftet,
       der nicht der Mann sei, „von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren
       werden möchte“, wie Energieministerin Amber Rudd einmal sagte.
       
       ## Ein Rüpel geht auf Weltreise
       
       Um dieses Bild bemühte sich Johnson auch in Asien, wo er bisher kein
       Fettnäpchen ausgelassen hat. Auf einer Reise nach Japan 2015 nahm der
       Brexiteer an einem Rugby-Spiel mit Kindern teil und rammte einen
       10-Jährigen Jungen rüde zu Boden. Noch problematischer dürfte allerdings
       sein Zeitungsartikel über China sein, in dem er den internationalen
       Einfluss des Landes als [5][praktisch Null einstuft]. Es gebe keine
       chinesischen Nobelpreisträger, dafür aber „Legionen von gescheiten
       Chinesen, die nach Stanford oder Caltech (US-Eliteuniversitäten) flüchten
       wollen“, schrieb Johnson im Jahr 2005.
       
       Sein Besuch im Irak 2015 ging ebenfalls schief. Nach einem verweigerten
       Truppenbesuch und einer vereitelten Spritztour mit einem Jaguar aus einem
       Auto-Showroom verließ Johnson das Land und brachte eine unbezahlte
       Barrechnung mit. Im vergangenen Dezember sorgte sein Artikel über Putins
       militärisches Eingreifen in Syrien für Aufregung, wo er schrieb, Russland
       habe geholfen, die „Verrückten aus Palmyra“ zu vertreiben.
       
       Und zu guter Letzt verglich Johnson die Brexit-Kampagne mit dem
       heldenhaften Kampf Großbritanniens gegen [6][Hitler-Deutschland im Zweiten
       Weltkrieg]. Im Mai sagte er dem Sunday Telegraph mit Blick auf die Politik
       der EU: „Napoleon, Hitler, zahlreiche Menschen versuchten das, und es endet
       tragisch“
       
       Langweilige Stimmung auf künftigen Gipfeltreffen wird mit Großbritanniens
       neuem Außenminister vermutlich nicht aufkommen. „Die USA stehen ganz vorne
       in der Schlange“, entgegnet Johnson der BBC-Journalistin auf die Frage, ob
       er sich nicht erst einmal entschuldigen müsse. Dann verschwindet er so
       schnell wie möglich aus dem Rampenlicht, in dem er so gern stand, und nun
       von Theresa May wieder gezogen wird.
       
       14 Jul 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.telegraph.co.uk/comment/3643709/I-want-Hillary-Clinton-to-be-president.html
   DIR [2] https://www.thesun.co.uk/archives/politics/1139354/boris-johnson-uk-and-america-can-be-better-friends-than-ever-mr-obama-if-we-leave-the-eu/
   DIR [3] http://www.theguardian.com/politics/video/2016/jul/14/state-department-spokesman-smiles-at-news-of-boris-johnsons-appointment-video
   DIR [4] http://blogs.spectator.co.uk/2016/05/boris-johnson-wins-the-spectators-president-erdogan-offensive-poetry-competition/
   DIR [5] http://www.telegraph.co.uk/comment/personal-view/3619424/Getting-our-knickers-in-a-twist-over-China.html
   DIR [6] http://www.telegraph.co.uk/news/2016/05/14/boris-johnson-the-eu-wants-a-superstate-just-as-hitler-did/
       
       ## AUTOREN
       
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