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       # taz.de -- Neue Verfassung für Thailand: Militärs wollen Macht zementieren
       
       > Am Sonntag stimmt das Volk in Thailand über eine neue Verfassung ab.
       > Diese soll die Junta legitimieren. Der Ausgang ist ungewiss.
       
   IMG Bild: Junge Rekruten werben auf in Bangkok für die neue Verfassung
       
       Berlin taz |Soldaten tragen Spruchbanner durch die Straßen, „Freiwillige“
       verteilen Flugblätter: Thailands Wahlvolk ist dazu aufgerufen, am Sonntag
       über eine neue Verfassung zu entscheiden – „auf dass das Land vorwärts
       komme“. Doch mit Demokratie hat der Entwurf nichts zu tun.
       
       Der Grund: der Senat wird während der ersten fünf Jahre komplett von der
       Militär-Junta ernannt. Da dieser das Recht hat, Gesetze und
       Verfassungsänderungen zu blockieren, würde der Handlungsspielraum einer
       gewählten Regierung gen Null tendieren.
       
       Auch soll das Volk über die verklausuliert formulierte Frage entscheiden,
       ob der Senat gemeinsam mit gewählten Abgeordneten den Premierminister
       bestimmen darf. Dieser bräuchte nicht einmal Mitglied des Parlaments zu
       sein. Ein Premier ohne den Segen des Senats bzw. der Junta wäre damit
       unmöglich.
       
       Die neue Verfassung wäre Thailands zwanzigste seit dem Ende der absoluten
       Monarchie 1932. Würde die Mehrheit der 50 Millionen Stimmberechtigten sie
       annehmen, behielte die Armee, gedeckt von ihren Unterstützern aus
       royalistisch-konservativen Kreisen, die Kontrolle. Dieses konstitutionelle
       Regelwerk würde dem Militär und allen anderen Vertretern des alten
       Feudalsystems einen Blankoscheck ausstellen. Künftige Wahlen gerieten zur
       Farce.
       
       ## Absurde Repression
       
       Entsprechend regt sich Widerstand in den politischen Parteien:
       Ex-Premierministerin Yingluck Shinawatra, Schwester des 2006 vom Militär
       entmachteten Thaksin, deren eigene Regierung im Mai 2014 gestürzt wurde,
       will mit „Nein“ stimmen. Selbst Ex-Regierungschef Abhisit Vejjajiva, dessen
       „Demokratische Partei“ unfähig ist, Wahlen gegen das Thaksin-Lager zu
       gewinnen und den Weg für Putsche gegen den Shinawatra-Clan ebnete,
       erklärte, er lehne den Entwurf ab.
       
       Eine freie und faire Abstimmung ist nicht in Sicht. Wer im Klima der Angst
       den Mumm besitzt, „Vote No“-Kampagnen zu initiieren, muss mit bis zu zehn
       Jahren Haft rechnen. Immer wieder werden Kritiker, insbesondere
       studentische Aktivisten, festgenommen.
       
       Zudem wurden führende Köpfe der „Rothemden“ angeklagt, die überwiegend
       Unterstützer Yinglucks und Thaksins sind. Sie hatten angekündigt, möglichen
       Wahlbetrug beobachten zu wollen. Nicht selten scheint es, als seien die
       Machthaber komplett ihrer Paranoia erlegen: Zwei achtjährige Mädchen wurden
       von der Polizei vernommen, weil sie eine Wählerliste von einer Wand
       gerissen hatten. Dabei hatten sie nur mit dem rosa Papier spielen wollen.
       
       ## Wahlen könnten in weite Ferne rücken
       
       Öffentlich würden Putsche damit gerechtfertigt, Korruption vorzubeugen und
       Demokratie zu „reformieren“, moniert der im britischen Exil lebende
       Aktivist und Ex-Politikwissenschaftler der Bangkoker Chulalongkorn-Uni,
       Giles Ungpakorn.
       
       Die meisten Thais tolerierten eine permanente Diktatur aber nicht mehr.
       „Selbst Generalissimo Prayuth Chan-ocha kann nicht einfach so sagen, er
       wolle die Militärherrschaft zu einem festen Bestandteil machen.“ Doch exakt
       darauf ziele der neue Entwurf durch die Hintertür ab.
       
       Den Kritikern ist bewusst, dass mit einer Ablehnung auch die für 2017
       versprochenen Wahlen in weitere Ferne rücken. Doch eine Verfassung, die den
       Putschisten Legitimität verleiht, wollen sie noch weniger akzeptieren.
       Angesichts der Repressionen ist der Ausgang des Referendums ungewiss.
       
       Diktator Prayuth, der gegenüber Kritiker leicht die Beherrschung verliert,
       erklärte nur, im Falle einer Ablehnung eine weitere Fassung zu schreiben.
       Notfalls würde er das selbst übernehmen, sagte er, tat diese Aussage aber
       später als „sarkastisch“ ab.
       
       4 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicola Glass
       
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