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       # taz.de -- Tote und Verletzte bei Messerattacke: Londons diffuse Terrorangst
       
       > Nach einem tödlichen Amoklauf mitten in Londons Touristenviertel bleiben
       > viele Fragen offen. Die Häufigkeit seltsamer Vorfälle nimmt zu.
       
   IMG Bild: Der abgesperrte Tatort am Russell Square, London
       
       London taz | „Keep calm and carry on“ lautet das Motto des Londoner
       Bürgermeisters Sadiq Khan sowie der Londoner Metropolitan Police (Met) am
       Donnerstag nach einer tödlichen Messerattacke am Vorabend. Die Bevölkerung
       solle einfach „ruhig und wachsam bleiben“.
       
       Am Mittwochabend gegen 22 Uhr hatte ein 19-Jähriger mit einem Messer vor
       dem Imperial Hotel am Russell Square, eine Gegend voller Touristen und
       Studenten mitten in der Innenstadt, auf Passanten eingestochen. Eine
       60-jährige Frau verlor ihr Leben, fünf andere Menschen wurden verletzt,
       zwei von ihnen schwer.
       
       Nach Polizeiangaben handelt es sich bei dem Täter um einen norwegischen
       Staatsbürger somalischer Herkunft; die Tote ist US-Amerikanerin. Die
       Polizei geht davon aus, dass „mentale Gesundheitsprobleme“ zur Tat geführt
       haben könnten.
       
       Ob das so war, wird sich in diesem Fall leichter herausfinden lassen als
       bei ähnlichen Verbrechen in Europa in jüngster Zeit: Anders als in München,
       Nizza oder der Normandie gelang es in London der Polizei, den Täter durch
       eine Taserwaffe zu überwältigen und festzunehmen. Er liegt jetzt im
       Krankenhaus.
       
       ## Mehr Polizei als vorher
       
       Es gebe bisher keine Hinweise auf ein terroristisches Motiv, sagte die
       Polizei am Mittag. Doch Anti-Terror-Ermittler sind in die Untersuchung
       eingeschaltet, und eine merklich verstärkte Anzahl von Polizisten ist jetzt
       auf den Londoner Straßen präsent.
       
       Vor dem U-Bahnhof Russell Square, wo sonst nie ein Polizist steht, wachte
       am Donnerstag ein Beamter in schusssicherer Uniform – ein ungewöhnlicher
       Anblick im Viertel Bloomsbury, wo man es allerhöchstens gewohnt ist,
       Polizeihilfskräften auf Fußpatrouille zu begegnen.
       
       Am 7. Juli 2005 war der U-Bahnhof Russell Square einer der Schauplätze der
       damaligen Bombenserie in London mit 52 Toten gewesen. Seit August 2014 gilt
       in London die zweithöchste Gefahrenstufe, was bedeutet, dass ein Anschlag
       höchstwahrscheinlich ist.
       
       Vor wenigen Tagen erklärte Met-Chef Sir Bernard Hogan-Howe, dass die
       besonders starken Schusswaffenkontrollen in Großbritannien zwar eine
       Terrorattacke erschweren würden, es aber nur eine Frage der Zeit sei, wann
       eine Attacke geschehe. Obwohl mehrere geplante Terrorangriffe vereitelt
       worden seien, könne er niemandem versichern, dass Großbritannien nicht das
       nächste Ziel werde, sagte er.
       
       Bisher merkte man dies eher an den Knotenpunkten Londons, den großen
       Bahnhöfen und Flughäfen, wo seit den Attentaten von Paris im November 2015
       mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten zu sehen sind, dies im Land der
       traditionell unbewaffneten Polizei. Jüngst ist die Zahl der mit Waffen
       patrouillierenden Polizisten in London um 600 auf insgesamt 2.800 erhöht
       worden, ein neuer Rekord.
       
       ## Internet oder Irrsinn?
       
       Im April waren zwei junge Londoner Studenten, Medizinstudent Tarik Hassane,
       22, und Physikstudent Suhaib Majeed, 21, vom Kriminalgericht Old Bailey zu
       lebenslanger Haft verurteilt worden, weil sie beabsichtigt hätten, von
       einem Moped auf Soldaten und Polizisten zu schießen. Sie hätten sich über
       das Internet radikalisiert, hieß es.
       
       Ein 30-Jähriger, der im Dezember 2015 am Ostlondoner U-Bahnhof Leytonstone
       vergangenes Jahr auf Passanten losging und versuchte, einem Mann den Kopf
       abzuschneiden, wurde am Montag zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwar lag
       auch hier eine islamistische Beeinflussung aus dem Internet vor, der Täter
       habe aber klare mentale Probleme gehabt, so das Urteil.
       
       4 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn
       
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