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       # taz.de -- Palmer-Äußerungen auf dem Prüfstand: Abschiebung? Nicht mal in Bayern.
       
       > Tübingens grüner OB Boris Palmer fordert die sofortige Abschiebung
       > krimineller Syrier. Dies erlaube die Genfer Flüchtlingskonvention. Stimmt
       > das?
       
   IMG Bild: Der von Palmer angesprochene Syrer, der in Reutlingen eine polnische Kollegin tötete, wird vermutlich zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt
       
       Freiburg taz | Die Abschiebung von syrischen Straftätern nach Syrien ist
       nicht so einfach, wie Boris Palmer sich das vorstellt. Seine rechtliche
       Analyse übergeht viele Prüfungsschritte. In einem Interview hat der
       Tübinger OB Boris Palmer (Grüne) jüngst gefordert, Straftäter auch nach
       Syrien abzuschieben. Dies erlaube auch die Genfer Flüchtlingskonvention,
       setzte er jetzt in einem Facebook-Post nach.
       
       Anerkannte Asylberechtigte sowie Flüchtlinge im Asylverfahren haben ein
       Aufenthaltsrecht in Deutschland. Dieses Aufenthaltsrecht kann aber bei
       schweren Straftaten per Ausweisung beendet werden. Die Schwelle wurde erst
       in diesem Jahr für viele Delikte herabgesetzt. Während zuvor eine
       Verurteilung von mindestens drei Jahren erforderlich war, genügt jetzt
       schon ein Jahr Freiheitsstrafe. Eine solche Ausweisung erlaubt auch die
       Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie zum Schutz der „Sicherheit der
       Allgemeinheit“ erforderlich ist. Insoweit hat Palmer recht.
       
       Vor jeder Ausweisung muss zwar zudem eine Einzelfallprüfung stattfinden.
       Wer hier geboren und aufgewachsen ist, kann sein Aufenthaltsrecht dabei
       aber eher behalten als ein frisch angekommener Flüchtling. Wer ausgewiesen
       wurde, muss freiwillig ausreisen oder wird zwangsweise abgeschoben.
       
       Bei syrischen Flüchtlingen dürfte es aber häufig Abschiebehindernisse
       geben, weil in der Heimat eine konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit
       besteht. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz, der Europäischen
       Menschenrechtskonvention und dem deutschen Aufenthaltsgesetz. Faktisch gibt
       es derzeit keine Abschiebungen nach Syrien. Nicht einmal aus Bayern.
       
       ## Auch wenn nicht gekämpft wird, Syrien ist gefährlich
       
       Palmer erklärt nun, dass es in Syrien Gebiete gebe, in denen „nicht
       gekämpft“ wird. Darauf allein kommt es aber nicht an. Das Assad-Regime ist
       für Oppositionelle auch dort lebensgefährlich, wo nicht gekämpft wird. Die
       meisten syrischen Flüchtlinge sind Regimegegner. Das Bundesamt für
       Migration und Flüchtlinge (Bamf) erkennt syrische Antragsteller in der
       Regel als politisch Verfolgte an und nicht als Bürgerkriegsflüchtlinge.
       
       Doch selbst ein systemnaher Bürgerkriegsflüchtling kann nach einer
       Ausweisung nicht so einfach in ein vom Assad-Regime beherrschtes und
       kampffreies Gebiet abgeschoben werden. Denn für eine Abschiebung ist immer
       die Zustimmung des Herkunftsstaates erforderlich. Ob Syrien solchen
       Abschiebungen zustimmen würde, ist unbekannt.
       
       Vor allem aber müssen syrische Flüchtlinge, die in Deutschland straffällig
       wurden, zunächst ihre Strafe verbüßen, zumindest teilweise. Der von Palmer
       angesprochene Syrer, der in Reutlingen auf offener Straße eine polnische
       Kollegin mit dem Kebabmesser tötete, wird zunächst vor Gericht gestellt und
       vermutlich zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt.
       
       Auch ausländische Täter, die ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren
       werden, müssen in der Regel die Hälfte ihrer Strafe verbüßen, bevor sie
       Deutschland verlassen müssen. Für eine sofortige Abschiebung ohne Strafe,
       was Palmer nahelegt, hätte vermutlich kaum jemand Verständnis.
       
       8 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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