URI: 
       # taz.de -- Interview zur Langen Nacht der Filmfestivals am 20. August: „Die Gedichte funktionieren eher wie Sprungfedern“
       
       > Die 4. Lange Nacht der Filmfestivals ist eine Aufforderung, mit
       > Sehgewohnheiten zu brechen. Ein Gespräch mit Leiter Carsten Happe.
       
   IMG Bild: Programmausschnitt
       
       taz: Herr Happe, Sie sind einer der beiden Projektleiter des Zebra Poetry
       Film Festivals, des größten Festivals für Poesiefilme, das im Oktober zum
       achten Mal stattfinden wird. Was sind eigentlich Poesiefilme? 
       
       Carsten Happe: Poesiefilme setzen sich mit Gedichten auseinander. Es
       handelt sich also um verfilmte Gedichte und nicht, wie man vielleicht
       meinen könnte, um die Realisierung poetischer Filme. Wir bekommen
       Schriftfilme eingereicht, in denen nur der Text des Gedichts auf der
       Leinwand zu sehen ist. Es gibt aber auch Videos, in denen die Handlung des
       lyrischen Werks extrahiert wird. Aber auch spirituelle Filme gehören dazu,
       die den Anspruch haben, den emotionalen Ausdruck der Poesie auf die
       Leinwand zu bringen. Einzige Auflage: Es müssen Kurzfilme sein, höchstens
       15 Minuten lang.
       
       Lyrik und virtuelle Kunst: Passt das überhaupt zusammen? 
       
       Es gibt unterschiedliche Ansätze, Poesie zu interpretieren und sie mit
       bewegten Bildern zu verbinden. Wir finden es wichtig, dass die Kunstformen
       miteinander kommunizieren und beide Strukturen ineinander verschwimmen. Die
       Gedichte funktionieren eher wie Sprungfedern. Es stellt sich jedes Mal als
       ein besonderes Experiment heraus, Poesie inhaltlich oder formal in
       Filmmaterial zu überführen. Originelle Ideen interessieren uns mehr als
       technische Finesse.
       
       Was sind Ihre Ambitionen, ein ganzes Festival für solche abseitigen Filme
       zu veranstalten? 
       
       Die Poesiefilme sind in einer speziellen Filmnische für sich, ein eigenes
       Genre, das seine eigenen Gesetze kennt. Wir wollen der Gedichtverfilmung
       eine eigene Plattform bieten, um diese Nische aufrechtzuerhalten.
       Poesiefilme zu produzieren, bedeutet auch verschiedene Kunstformen
       zusammenzubringen. Wir wollen den Künstlern die Möglichkeit geben, sich
       untereinander auszutauschen, gemeinsam in die verschiedenen Filme
       einzudringen und Tage der Begegnung zu schaffen.
       
       Was ist der Reiz fürs Publikum? 
       
       Die Regisseure, die zum Festival eingeladen werden, sind meistens
       Einzelkämpfer, die ihre eigenen Ideen in Form von bewegten Bilder in die
       Welt bringen wollen. Wir wollen ihnen die Gelegenheit bieten, mit ihrem
       Publikum in Kontakt zu treten, mit den Leuten zu diskutieren und ihnen die
       Transferleistung von Lyrik zu Film zu verdeutlichen.
       
       Im Oktober findet das Festival zum ersten Mal in Münster statt. Zuvor
       präsentierte sich die Veranstaltung schon siebenmal in Berlin statt? Warum
       der neue Standort? 
       
       Der Umfang des Festivals ist von Jahr zu Jahr gewachsen: Während wir 2014
       zwischen 700 und 800 Filme erhielten, kamen dieses Jahr 1.100 Einsendungen.
       Die Hauptantriebsfeder für unseren Umzug nach Münster war aber die
       Kunststiftung NRW, die das Festival finanziell fördert.
       
       Also gab es nicht genügend Förderung in Berlin? 
       
       Ich denke, durch die vielen Filmfestivals, die in Berlin stattfinden, ist
       es schwierig, eine solide Förderungsstruktur zu schaffen. Hier in Münster
       ist es nun leichter, unser Projekt auszubauen. Trotzdem ist die Verbindung
       zu Berlin weiterhin gegeben. Wir arbeiten immer noch mit der
       Literaturwerkstatt in Berlin zusammen, die die Gewinnerfilme ebenfalls
       zeigen wird.
       
       Was erwartet uns beim diesjährigen Festival? 
       
       Dieses Jahr sind die Niederlande und Flandern unser Länderschwerpunkt.
       Damit gehören wir zum offiziellen Rahmenprogramm der Frankfurter Buchmesse.
       Im Programm stehen aber auch Lesungen, Ausstellungen, Performances und
       Angebote für Kinder.
       
       Am 20. August kommt das Festival aber noch einmal zurück in die Heimat. 
       
       Ja, im Rahmen der 4. Langen Nacht der Filmfestivals. Wir präsentieren
       „Spreepoesie“: Elf Filme aus Berlin, über Berlin oder von Berliner Poeten.
       Alle basierend auf verschiedenen Gedichtformen, von zeitgenössischer Lyrik
       bis Spoken Word. Einer der Filme, „Die letzten Tage der Republik“ des
       amerikanischen Künstlers Reynold Reynolds, setzt sich zum Beispiel mit
       einem Gedicht des Berliner Autors Gerhard Falkner auseinander. Der Film
       arbeitet mit Archivmaterial, auf dem der Abriss des Palasts der Republik zu
       sehen ist.
       
       Was passiert noch auf dem Festival? 
       
       Das Besondere an der Langen Nacht ist: Berlin zeigt sich als lebendige
       Filmstadt. Hier finden jährlich immerhin über fünfzig Filmfestivals statt.
       Die Besucher können abseits des Mainstreams neue Seherfahrungen machen.
       
       Der Leiter: Carsten Happe kam 1974 in Münster zur Welt. Er studierte
       Soziologie, Geografie und Germanistik. Gemeinsam mit Risna Olthius leitet
       Happe das diesjährige Zebra Poetry Film Festival. Seit 2001 arbeitet er für
       das Filmfestival Münster, dessen Leitung er 2014 übernommen hat. 
       
       Das Festival: Am Samstag, 20. August 2016 ab 15 Uhr findet die 4. Lange
       Nacht der Filmfestivals statt. Die Veranstaltung findet in den vier
       Kino-Locations des Zukunft am Ostkreuz statt und wird bis spät in die Nacht
       von Livemusik und Streetfood begleitet. 100 Filme aus 20 Berliner
       Filmfestivals werden zu sehen sein. Eintritt: 12 Euro für alle Filme,
       ermäßigt 8 Euro. Komplettes Programm: [1][www.festiwelt-berlin.de]
       
       13 Aug 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://festiwelt-berlin.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Viola Blomberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Filmfestival
   DIR Kinos
   DIR Berlin-Kreuzberg
   DIR Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Festiwelt der Berliner Filmfestivals: Der Glanz der Kleinen
       
       Filmfestivals gibt es in Berlin en masse. Einen Überblick bekommt man am
       Samstag bei der Langen Nacht der Filmfestivals.
       
   DIR Misogynie in Gerhard Falkners Roman: Kein Schwanz ist abgelutschter
       
       In „Apollokalypse“ lässt Gerhard Falkner eine fiktive, wenig sympathische
       Figur auftauchen. Sie heißt Betty Stürmer – wie eine reale Künstlerin.
       
   DIR Gerhard Falkners Roman „Apollokalypse“: Vertreter der Nutella-Generation
       
       Falkners „Apollokalypse“ liefert ein wildes Sittenbild der 70er, 80er und
       90er in Berlin. Es ist gut, es könnte auf der Shortlist des Buchpreises
       landen.