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       # taz.de -- Kritik an de Maizières Sicherheitsplänen: „Duldung light“ mit fatalen Folgen
       
       > Thomas de Maizières Vorschläge zur Terrorabwehr stoßen auf Kritik. Einige
       > Flüchtlinge könnten in ein schäbiges Spiel geraten.
       
   IMG Bild: Da, wo er hingehört: Geflüchtete haben oft keinen Grund, einen Pass zu beantragen
       
       Berlin taz | Es ist ein sensibler Punkt in der Asylpolitik: „Wer sich als
       Ausreisepflichtiger weiter in Deutschland aufhält und selbst das
       Abschiebehindernis verursacht, zum Beispiel durch Identitätstäuschung, […]
       soll in Zukunft vollziehbar ausreisepflichtig behandelt werden und nur noch
       […] das unabweisbar Gebotene zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten.“
       So steht es in dem neuen Sicherheitskonzept des Bundesinnenministers Thomas
       de Maizière (CDU), das Flüchtlingsinitiativen rügen.
       
       Das Konzept wolle Handlungsfähigkeit demonstrieren, gehe aber völlig an der
       Realität vorbei, kritisierte Sigmar Walbrecht von der Geschäftsstelle des
       Flüchtlingsrats in Niedersachsen; „kein Anschlag wird sich durch
       Verschärfungen im Asylrecht verhindern lassen“.
       
       Die geplante Schaffung einer verschlechterten „Duldung light“ könnte unter
       anderem Flüchtlinge betreffen, die ohne Papiere eingereist sind, deren
       Asylantrag abgelehnt wurde und die nicht abgeschoben werden können, weil
       sie keinen Pass aus ihrem Heimatland haben und daher von ihrem
       Herkunftsland nicht zurückgenommen werden.
       
       Ausländerbehörden werfen diesen Flüchtlingen mit „Duldung“ oft vor, das
       „Abschiebehindernis“ selbst zu verursachen, weil sie sich nicht ausreichend
       in den Botschaften ihrer Herkunftsländer um einen neuen Pass bemühen,
       berichtet ein Berliner Rechtsanwalt für Asylrecht, der anonym bleiben will.
       Geduldete, aber asylrechtlich abgelehnte Flüchtlinge geraten damit in ein
       schäbiges Spiel: Wenn sie sich erfolgreich um einen Pass bemühen, werden
       sie abgeschoben. Wenn sie dies hinauszögern, ernten sie den Vorwurf, ihr
       „Abschiebehindernis“ selbst zu verursachen. Dann bekommen sie aber als
       Geduldete selbst nach langem Aufenthalt in Deutschland keine
       Arbeitserlaubnis.
       
       Der Berliner Anwalt hat einige solche Fälle unter seinen Mandanten. „Es
       gibt für diese Leute keinerlei Grund, sich ernsthaft einen Pass zu
       besorgen, weil sie dann sofort abgeschoben werden“, erzählt er. Die
       Geduldeten sprechen zwar bei den Botschaften ihrer Herkunftsländer vor und
       holen sich eine entsprechende Bestätigung. Doch sie unternehmen keine
       Anstrengungen, etwa eine Geburtsurkunde aus ihrem Heimatort zu besorgen,
       weil sie damit gegen ihre eigenen Interessen handeln würden. Was die
       Behörden natürlich wissen.
       
       Die Doppelbödigkeit der Bürokratie hat eine fatale Folge: „Die Leute sind
       schon jahrelang hier, die besorgen sich Arbeitsmöglichkeiten, aber die
       Ausländerbehörden versagen die Arbeitserlaubnis. Also leben die Leute von
       Sozialleistungen, obwohl sie das gar nicht wollen“, weiß der Anwalt. Er hat
       Pakistaner, Westafrikaner und Vietnamesen unter seinen Klienten, die
       bewusst keine gültigen Pässe haben, aber trotzdem Arbeitsangebote vorweisen
       können.
       
       Würde man diesen Leuten die Sozialleistungen kürzen, würde deswegen niemand
       zurückgehen, ist der Anwalt überzeugt. „Die Bedingungen im Herkunftsland
       sind so viel schlechter, da kehren die Leute nicht zurück, nur weil sie 60
       Euro weniger im Monat bekommen“. Das Gesetz erlaubt bisher schon Kürzungen
       für ausreisepflichtige Flüchtlinge. Dies werde aber kaum umgesetzt, sagen
       Flüchtlingsrat Walbrecht und der Berliner Anwalt. Laut Statistik des
       Bundesamts für Migration leben rund 160.000 Menschen mit Duldung in
       Deutschland.
       
       Teile der Union kritisierten am Freitag das Sicherheitskonzept de
       Maizières. Der Vorsitzende des Arbeitskreises Mittelstand der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian von Stetten, sagte, der
       Maßnahmenkatalog sei „nicht ausreichend“. Der Staat dürfe keine
       „Parallelgesellschaften“ zulassen. De Maizière hatte auch gefordert,
       Ausländer wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ leichter in
       Abschiebehaft nehmen lassen zu können.
       
       12 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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