# taz.de -- Abschirmung auf dem Balkan: Zäune bedrohen Wölfe und Luchse
> Die neu aufgestellten Stacheldrahtzäune rufen jetzt auch Tierschützer auf
> den Plan: Nach einer Studie gefährden diese nämlich die Artenvielfalt.
IMG Bild: Für Luchse dürften die Zäune der letzte Schritt zum Aussterben sein, schreiben Forscher
Berlin taz | Sie wurden im vergangenen Jahr errichtet, um Flüchtlinge auf
dem Weg nach Deutschland und in andere EU-Länder aufzuhalten. Doch die
neuen messerscharfen Stacheldrahtzäune auf dem Balkan durchschneiden die
Wanderrouten vieler Tiere und sind inzwischen zu Todesfallen für Bären,
Luchse, Wölfe und das Rotwild in der Region geworden.
Der neue Trend zur Abschirmung bedrohe vielerorts schon die Artenvielfalt,
ist das Ergebnis einer im Fachblatt Plos Biology veröffentlichten Studie
von Forschern aus zehn Ländern. Für die nur noch wenigen Luchse in der
Region dürften die Zäune „der letzte Schritt auf dem Weg zum Aussterben“
sein, schreiben sie. Der Luchs war erst 1973 im Dinarischen Gebirge wieder
angesiedelt worden.
Pläne, die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien auf einer Länge von 349
Kilometern komplett zu schließen, bedrohen laut den Forschern ein großes,
in weiten Teilen durch die EU geschütztes Natura-2000-Gebiet. Die
sogenannte temporäre physische Grenze sollte eigentlich die Balkanroute für
Geflüchtete und Schlepper unattraktiver machen. Diese kommen aber ohnehin
kaum mehr, seit die Türkei die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer nach
Griechenland stärker kontrolliert.
Stattdessen ist der bis zu etwa zwei Meter hohe Zaun für die größeren Tiere
der Region zur Gefahr geworden. So durchschneidet die Anlage, die aus drei
aufeinandergelegten Rollen Nato-Stacheldraht besteht, die Wanderrouten von
fünf der zehn Wolfsrudel im Grenzgebiet. Deren Überleben ist laut der
Untersuchung inzwischen eine „ernste Herausforderung“.
## Ein Nachteil für viele Tiere
Auch der Lebensraum der im Gebiet etwa 1.500 Braunbären wurde zerstückelt.
Die Studie empfiehlt dringend, die Zahl der zur Jagd freigegebenen Tiere zu
reduzieren, wenn die Art vor Ort bestehen bleiben soll. Am häufigsten
trifft es jedoch die Rehe: Sehr viele sind bereits an den messerscharfen
Zäunen hängen geblieben. Beim Versuch, sich zu befreien, verheddern sie
sich noch mehr in den Metallzacken der Grenzanlagen – und verbluten
qualvoll.
Das Ende des Kalten Kriegs und der Abbau von Grenzanlagen hatte in Europa
und Asien auch vielerorts eine Wende für den Artenschutz bedeutet. Seit
Anfang der 90er Jahre hatten sich Tierarten wie Wolf oder Bär in Europa
wieder ausgebreitet. Inzwischen werden vielerorts neue Grenzen gebaut – zum
Nachteil vieler Tiere.
Und nicht nur Europa ist betroffen. Von der Grenze zwischen China und der
Mongolei bis zum Stacheldrahtzaun zwischen Slowenien und Kroatien gibt es
inzwischen laut der Studie 25.000 bis 30.000 Kilometer Drahtzäune und
Grenzmauern. Die meisten davon kamen erst in den vergangenen 15 Jahren
dazu.
Auch auf den Gencode der Wildtiere in den Grenzgebieten hat die Abschottung
fatale Auswirkungen, so die Studie. Der Grund: Die Populationen könnten
sich nicht mehr so gut durchmischen, dadurch nimmt die genetische Vielfalt
tendenziell ab. Immerhin: Viele Staaten betonen, dass die Flüchtlingszäune
irgendwann wieder abgerissen werden sollen.
15 Aug 2016
## AUTOREN
DIR Kai Schöneberg
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