URI: 
       # taz.de -- Putschversuch in der Türkei: Ringen um die Macht über die Armee
       
       > Teile des Militärs erklären, die Kontrolle über das Land zu haben. Die
       > Regierung widerspricht. Bei Kämpfen zwischen den Lagern sterben mehrere
       > Menschen.
       
   IMG Bild: Dieser Panzer ist aus dem Spiel. Doch wer kontrolliert die Armee in der Türkei?
       
       Dieser Beitrag berichtet über eine sich entwickelnde Nachrichtenlage und
       wurde bis Samstag, 2.50 Uhr, laufend aktualisiert. Neue Entwicklungen am
       [1][Samstagmorgen lesen Sie hier]. 
       
       Ankara ap/afp/rtr/dpa | Die türkische Armee hat am Freitagabend die
       Übernahme der Macht in der Türkei verkündet sowie das Kriegsrecht und eine
       Ausgangssperre verhängt. „Die Macht im Land ist in ihrer Gesamtheit
       übernommen“, hieß es in einer im Fernsehsender NTV verlesenen Erklärung des
       Militärs.
       
       Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte gegen 2 Uhr MESZ
       (3 Uhr Ortszeit) nach Angaben aus dem Präsidialamt, Armeechef Hulusi Akar
       habe die Kontrolle über die Streitkräfte. Die Putschisten hatten den Sender
       zwischenzeitlich unter ihre Kontrolle gebracht. Auch ein Sprecher des
       türkischen Geheimdienstes MIT sagte dem Sender CNN Türk, der Putschversuch
       sei „abgewendet“. Auch der türkische Staatssender TRT ist wieder auf
       Sendung.
       
       Aus dem Präsidialamt hieß es, bei den Putschisten handele es sich „um eine
       kleine Gruppe“ von Offizieren aus der Gendarmerie und der Luftwaffe, die
       Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahestehen. Die
       Gülen-Bewegung hat sich jedoch von dem Militärputsch in der Türkei
       distanziert. „Wir verurteilen jede militärische Intervention in die
       Innenpolitik der Türkei“, schrieb die Bewegung in der Nacht zu Samstag in
       einer Erklärung an die Nachrichtenagentur AFP.
       
       Früher am Abend hatte Ministerpräsident Binali Yildirim bestätigt, dass
       Militärs einen Putschversuch gestartet hätten. „Das ist ein Angriff gegen
       die türkische Demokratie“, teilte das Präsidialamt mit.
       
       ## Erdogan ruft seine Anhänger zu Protesten auf
       
       Aus dem Präsidialamt verlautete, Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan sei
       in Sicherheit. In einem Telefoninterview rief Präsident Recep Tayyip
       Erdogan die Bevölkerung zu Demonstrationen für seine Regierung auf. Er
       sagte: „Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu
       versammeln. Sollen sie (die Putschisten) mit ihren Panzern und ihren
       Kanonen machen, was sie wollen.“ Den Umsturz nannte er am Freitagabend
       einen „Versuch einer Minderheit in unseren Streitkräften“.
       
       Das türkische Parlament in Ankara ist laut einem Medienbericht von einer
       Bombe getroffen worden. Dies meldete die staatliche Nachrichtenagentur
       Anadolu am frühen Samstagmorgen. Im Militär-Hauptquartier in Ankara sind
       nach einem Bericht des Senders CNN Türk einige Geiseln genommen worden. In
       der Nähe des Polizei-Hauptquartiers seien Schüsse zu hören gewesen. Unter
       den Geiseln im Armee-Hauptquartier in Ankara befindet sich der
       Nachrichtenagentur Anadolu zufolge der Militär-Stabschef.
       
       Bei einem Hubschrauberangriff auf das Hauptquartier von
       Polizeispezialeinheiten in Ankara sollen 17 Polizisten getötet worden sein.
       Dies meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Außerdem haben
       Kampfflugzeuge in der Nacht zu Samstag einen Helikopter der Putschisten
       abgeschossen. An Bord seien „Putschisten“ gewesen, hieß es aus dem Umfeld
       des Präsidialbüros.
       
       ## Berichte von Schüssen auf Demonstranten
       
       In Istanbul waren nach Augenzeugenberichten Schüsse in den Straßen zu
       hören. Kampfjets flogen im Tiefflug über die Stadt. Gegen 2.40 Uhr Ortszeit
       (1.40 MESZ) wurde Istanbul von einer schweren Explosion erschüttert. Der
       Hintergrund war zunächst unklar. Auch sollen laut einem Bericht in Istanbul
       türkische Soldaten auf Gegner des Militärputschs geschossen.
       
       Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, in Istanbul seien sechs Zivilisten
       durch Schüsse getötet und fast hundert verletzt worden. Die Toten und
       Verletzten seien in ein Krankenhaus auf der asiatischen Seite der Stadt
       eingeliefert worden. Es habe Verletzte gegeben, meldete die
       Nachrichtenagentur Dogan in der Nacht zum Samstag. Die Demonstranten hätten
       versucht, aus Protest gegen den Umsturzversuch die Bosporus-Brücke zu
       überqueren, hieß es. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie Menschen dort in
       Panik Deckung suchten, als Schüsse fielen.
       
       Der Zugang zu Online-Diensten wie Facebook, Twitter und YouTube in der
       Türkei ist nach Angaben von Internet-Beobachtergruppen eingeschränkt. Das
       Militär hat einem Medienbericht zufolge den Flugverkehr am
       Atatürk-Flughafen in Istanbul gestoppt. Soldaten hätten den Tower am
       größten Flughafen des Landes am Freitagabend unter ihre Kontrolle gebracht,
       meldete die private Nachrichtenagentur DHA.
       
       Alle vier Parteien im türkischen Parlament – auch die drei
       Oppositionsparteien – sprachen sich gegen den Putschversuch aus. Das
       teilten sie in Stellungnahmen im Fernsehen und bei Twitter mit. Die
       ultrarechte Oppositionspartei MHP erklärte in dem Kurznachrichtendienst,
       sie sei „gegen jede Art von nicht demokratischen Bestrebungen.“ Die
       Putschisten sollten vor Gericht gebracht werden.
       
       15 Jul 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ptschversuch-in-der-Tuerkei/!5325489/
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Militärputsch
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Türkei Syrien
   DIR Pressefreiheit in der Türkei
   DIR Schwerpunkt Türkei
   DIR Reiseland Türkei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Journalisten und der Militärputsch: Für die Türkei schreiben und streiten
       
       Die Putschisten hatten sich breitere Unterstützung erhofft. Doch selbst
       kritische Journalisten und Oppositionelle stellten sich dagegen.
       
   DIR Nach dem Putschversuch in der Türkei: Säuberungsaktion geht weiter
       
       In der Nacht strömten Tausende auf die Straßen, um Erdogan ihre
       Unterstützung zuzusagen. Der denkt indes über die Einführung der
       Todesstrafe nach.
       
   DIR Putsch-Historie der Türkei: Wenn die Panzer rollen
       
       1960, 1971, 1980: Politische Umstürze durch das Militär haben in der Türkei
       eine gewisse Tradition. Die Streitkräfte verstehen sich als Hüter des
       Kemalismus.
       
   DIR Onlinemedien beim Putschversuch: Erdoğan mag Twitter doch
       
       Akteure und Beobachter waren in der Nacht auf Online-Kanäle wie Twitter und
       Facetime angewiesen – ironischerweise auch Präsident Erdoğan.
       
   DIR Internationale Reaktionen: Schulterschluss mit Leerstelle
       
       Politiker aus aller Welt stellen sich an die Seite der Demokratie in der
       Türkei. Der Name Erdoğan fällt in den Solidaritätsadressen allerdings
       nicht.
       
   DIR Putschversuch in der Türkei: Eine dramatische Nacht
       
       Der Umsturzversuch ist gescheitert, es gab über 200 Tote und knapp 3.000
       Festnahmen. Präsident Erdoğan kündigt ein hartes Vorgehen an.
       
   DIR Putschversuch des türkischen Militärs: Mindestens 60 Tote
       
       Die türkische Regierung erklärt, die Lage unter Kontrolle zu haben.
       Hunderte Militärs werden verhaftet. Bei Zusammenstößen sterben viele
       Menschen.
       
   DIR Aufnahmeland Türkei: Vom Flüchtling zum Staatsbürger?
       
       Nach einem Vorstoß Erdoğans dominiert die Frage der Integration von Syrern
       die Debatte. Die Opposition ist sich in ihrer Ablehnung einig.
       
   DIR „Cumhuriyet“-Chefredakteur bedroht: Gemeinsamer Hilferuf
       
       DJV-Chef Frank Überall reist in die Türkei, um sich die Arbeitsbedingungen
       der OppositionsjournalistInnen anzusehen. Die Lage ist ernst.
       
   DIR Folgen der türkisch-kurdischen Kämpfe: Diyarbakır, eine Stadt ohne Zukunft
       
       Bei kurdisch-türkischen Kämpfen wurde die Altstadt von Diyarbakır
       weitgehend zerstört. Jetzt wendet sich die Kulturstadträtin an die Unesco –
       erfolglos.
       
   DIR Katastrophenzone Türkei: Die große Leere unter blauem Himmel
       
       Die türkischen Strände sind leer: Erst blieben die Russen weg, dann kam die
       Terrorangst. Und der türkische Präsident Erdoğan verschreckt den Rest.