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       # taz.de -- Internationale Reaktionen: Schulterschluss mit Leerstelle
       
       > Politiker aus aller Welt stellen sich an die Seite der Demokratie in der
       > Türkei. Der Name Erdoğan fällt in den Solidaritätsadressen allerdings
       > nicht.
       
   IMG Bild: Solidarität ganz ohne Twitter: Auch in Gaza zeigen Menschen ihre Verbundenheit mit der türkischen Regierung
       
       Wie reagieren die USA? 
       
       Noch in der Nacht zum Samstag hat sich US-Präsident Barack Obama hinter den
       türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğangestellt. Dessen demokratisch
       gewählte Regierung müsse unterstützt werden. Obama appellierte, „Gewalt und
       Blutvergießen zu vermeiden“. Der Präsident telefonierte nach Angaben des
       Weißen Hauses mit seinem Außenminister John Kerry, der sich zu Gesprächen
       über den Syrien-Krieg in Moskau aufhielt. Kerry [1][gab ähnliche
       Erklärungen wie Obama ab] und sagte, sein Ministerium bemühe sich um die
       Sicherheit von US-Bürgern in der Türkei.
       
       Die Türkei und die USA sind enge strategische Partner. Die US Air Force ist
       die größte Nutzerin der Luftwaffenbasis in Incirlik im Süden der Türkei,
       die sie als Drehkreuz nutzt. Die USA fliegen von dort aus auch Luftangriffe
       gegen den „Islamischen Staat“. Das Verteidigungsministerium in Washington
       erklärte, die Ereignisse in Istanbul und Ankara hätten keine Auswirkungen
       auf die stationierten US-Soldaten. Die Operationen von Incirlik aus liefen
       weiter.
       
       Was sagt Russland? 
       
       Russland hat sich in der Nacht äußerst besorgt über die Entwicklungen
       gegeben. Die Türkei müsse so schnell wie möglich wieder den Weg der
       Stabilität und Ordnung einschlagen, sagt ein Sprecher von Präsident
       Wladimir Putin.
       
       Zuletzt hatte Moskau daran gearbeitet, das Verhältnis zur Regierung in
       Ankara wieder zu verbessern. Ende Juni telefonierte Putin mit Erdoğan und
       kündigte eine Aufhebung der russischen Sanktionen gegen die Türkei an. Das
       russisch-türkische Verhältnis war Ende 2015 in eine Krise geraten. Die
       türkische Luftwaffe hatte damals an der Grenze zu Syrien einen russischen
       Kampfbomber abgeschossen, der angeblich den türkischen Luftraum verletzt
       hatte. Der Pilot des Flugzeugs wurde getötet.
       
       Putin nannte den Vorfall einen „Stich in den Rücken“ und forderte von
       Erdoğan eine Entschuldigung. Seine Regierung verhängte damals Sanktionen
       gegen die türkische Lebensmittelindustrie und verbot Pauschalreisen und
       Charterflügen in die Türkei.
       
       Wie verhalten sich die Nachbarn der Türkei? 
       
       In der Nacht twitterte der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif,
       er sei tief besorgt über die „Krise“ in der Türkei. Stabilität, Demokratie
       und die Sicherheit der türkischen Bevölkerung seien vorrangig. Später sagte
       der Sprecher des iranischen Sicherheitsrats: „Wir unterstützen die vom
       türkischen Volk demokratisch gewählte Regierung und verurteilen den
       Putsch“. Der Putsch werde auch im Laufe des Tages in einer von Präsident
       Hassan Ruhani einberufenen Krisensitzung des Sicherheitsrats weiter
       diskutiert.
       
       Bulgarien verurteilte nach dem Putschversuch in der Türkei alle Formen von
       Gewalt in dem Nachbarland. „Wir unterstützen die demokratisch gewählten
       Institutionen“, hieß es in einer Stellungnahme des bulgarischen Präsidenten
       Rossen Plewneliew vom Samstag. Die Stabilität in der Türkei sowie die
       Einhaltung der Menschenrechte seien von erstrangiger Bedeutung für
       Bulgarien. „Die Republik Türkei ist ein guter Nachbar und strategischer
       Partner der Republik Bulgarien“, betonte Plewneliew.
       
       Regierungschef Boiko Borissow sagte, der Grenzschutz entlang der türkischen
       Grenze – einer EU-Außengrenze – sei maximal verstärkt worden. Die Türkei
       habe die drei Grenzübergänge nach Bulgarien geschlossen. Georgien hat wegen
       des Militärputsches in der Türkei seine rund 250 Kilometer lange Grenze zum
       Nachbarland dicht gemacht.
       
       Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sicherte der türkischen
       Regierung Unterstützung zu. „Die Regierung und das griechische Volk
       verfolgen die Entwicklung in der Türkei und stehen an der Seite von
       Demokratie und Verfassungsordnung“, twitterte er in der Nacht. Man habe den
       Amtskollegen des Nachbarlandes eine entsprechende Nachricht zukommen
       lassen, sagte Regierungssprecherin Olga Gerovasili dem staatlichen
       Nachrichtensender ERT: „Athen unterstützt die demokratisch gewählte
       Regierung der Türkei.“
       
       Dagegen wurden aus der syrischen Hauptstadt Damaskus Freudenschüsse
       gemeldet, als der Putsch noch lief. Erdoğans Regierung gehört zu den
       Gegnern von Syriens Präsident Baschar al-Assad und ist einer der
       wichtigsten Verbündeten der US-geführten Koalition im Kampf gegen die
       IS-Miliz.
       
       Wie reagiert die deutsche Bundesregierung? 
       
       „Die demokratische Ordnung in der Türkei muss respektiert werden“,
       [2][twitterte Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert]. „Alles muss getan
       werden, um Menschenleben zu schützen.“ Der Name Erdoğan kam in dieser
       Botschaft nicht vor. Auch nicht in Seiberts [3][Kurznachricht zwei]:
       „Unterstützung für gewählte Regierung.“ Kanzlerin Angela Merkel ließ sich
       auf dem Asien-Europa-Gipfel im mongolischen Ulan Bator ständig über die
       Entwicklung in der Türkei unterrichten und flog dann wie geplant nach
       Berlin zurück.
       
       Viele Erklärungen betonen als Begründung für die Solidarität die
       demokratische Legitimation der Regierung, den Namen Erdoğan sucht man
       allerdings ziemlich vergeblich. Selbst Regierungsleute, die sonst eher
       wenig Berührungsängste mit Erdoğan haben, agieren jetzt erkennbar
       vorsichtig.
       
       Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte am Samstag: „Alle
       Versuche, die demokratische Grundordnung der Türkei mit Gewalt zu
       verändern, verurteile ich auf das Schärfste“. Die demokratischen
       Institutionen in der Türkei müssten respektiert werden. Nach Angaben aus
       dem Auswärtigen Amt wollte der Krisenstab der Bundesregierung am
       Samstagvormittag zusammenkommen, um über die Lage in der Türkei zu beraten.
       
       Auch Deutschland hat Soldaten in Incirlik stationiert. Sie beteiligen sich
       mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen am Kampf gegen den IS. Das
       Verteidigungsministerium teilte mit, die Lage der 240 Soldaten sei dort
       völlig ruhig. Nur vorsorglich sei die Bereitschaftsstufe erhöht worden.
       
       Und die Europäische Union? 
       
       Die EU-Staaten solidarisierten sich mit der Regierung in der Türkei: „Die
       EU unterstützt voll die demokratisch gewählte Regierung, die Institutionen
       des Landes und die Rechtsstaatlichkeit“, hieß es [4][in der Erklärung], die
       Ratspräsident Donald Tusk in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator im
       Namen aller 28 EU-Staaten verlas. Er äußerte sich auf Fragen auch besorgt
       über die Konsequenzen. „Die Lage scheint unter Kontrolle, aber die
       Situation ist weit von einer Stabilisierung entfernt.“ Wie die Türkei mit
       den Folgen umgehe, werde „entscheidend“ für das Land sein und seine
       Beziehungen zur Europäischen Union, sagte Tusk.
       
       Europaparlaments-Präsident Martin Schulz [5][twitterte Samstagfrüh]: „Ich
       begrüße, dass an diesem Morgen wieder die Herrschaft des Rechts gilt.“ Das
       Blutvergießen müsse nun vollständig enden, die Gewaltenteilung
       gewährleistet sowie individuelle Rechte garantiert werden. „Die Stabilität
       des Landes ist entscheidend für die gesamte Region.“
       
       (mit ap und reuters)
       
       16 Jul 2016
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/JohnKerry/status/754141724193284096
   DIR [2] https://twitter.com/RegSprecher/status/754090297550700545
   DIR [3] https://twitter.com/RegSprecher/status/754097088032608256
   DIR [4] http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2016/07/16-tusk-juncker-mogherini-statement-turkey/
   DIR [5] https://twitter.com/EP_President/status/754217076890431488
       
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