URI: 
       # taz.de -- Aktivist über Neues im Fall Oury Jalloh: „Unendlich viele Merkwürdigkeiten“
       
       > Am Donnerstag stellen Gutachter die Brandsituation nach, bei der der
       > Asylbewerber 2005 starb. Mouctar Bah von der Initiative Oury Jalloh
       > bleibt skeptisch.
       
   IMG Bild: Frühere Brandversuche zweifeln die Nebenkläger an
       
       taz: Herr Bah, 11 Jahre nachdem Oury Jalloh im Polizeigewahrsam verbrannte,
       kommt wieder Bewegung in den Fall. Am Donnerstag lässt die
       Staatsanwaltschaft den Brand, bei dem Jalloh starb, von Gutachtern
       simulieren. Sind Sie zufrieden? 
       
       Mouctar Bah: Nein. Was genau die Sachverständigen dabei tun werden, wissen
       wir nicht. Wir haben es nicht vorab erfahren, obwohl uns das zugesichert
       wurde. Das laufende Ermittlungsverfahren wurde ja nur eingeleitet, weil wir
       2013 ein privates Brandgutachten veröffentlicht haben. Das hat die These
       der Justiz widerlegt, dass Jalloh sich selbst angezündet hat. Erst
       daraufhin begann die Staatsanwaltschaft gegen unbekannt zu ermitteln. Und
       damals versprach sie uns, mit uns zusammenzuarbeiten und alles transparent
       zu machen.
       
       Woher rührt Ihre Skepsis? 
       
       2012 gab es in der Dessauer Zelle einen Ortstermin des Gerichts. Da sollte
       versuchsweise eine Matratze abgebrannt werden. Neben dem Richter waren die
       Anwältin des Angeklagten und wir als Nebenklage dabei. Als wir die Zelle
       vor dem Brandversuch besichtigten, habe ich die Matratze hochgehoben. Sie
       war an der Unterseite bereits aufgerissen und schon angekokelt.
       Offensichtlich sollte das Ergebnis manipuliert werden, die Matratze stärker
       verschmort erscheinen. Das ist nur eine von unendlich vielen
       Merkwürdigkeiten in dem Fall.
       
       Sie beklagen, jetzt zu wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt zu haben. Warum? 
       
       Wir haben erst am 27. Juli von der Simulation am 18. August erfahren. Wir
       bräuchten aber Informationen, wie der Versuch genau angelegt sein wird, und
       Zeit, damit sich unsere Experten vorbereiten können. Für unseren
       Brandversuch 2013 haben wir Sachverständige aus London, Irland und Kanada
       beauftragt. Uns war zugesichert worden, dass die nun auch beim offiziellen
       Ermittlungsverfahren einbezogen werden. Herr Zollinger, der Sachverständige
       der Staatsanwaltschaft, hatte das selbst vorgeschlagen. Unser Wunsch, die
       Simulation etwas zu verschieben, wurde aber abgelehnt; eine unserer beiden
       Anwältinnen kann nicht dabei sein. Wir glauben, dass die Justiz das
       Verfahren nach dem Brandversuch einstellen will. Der Versuch läuft nur, um
       hinterher sagen zu können: Jetzt haben wir aber wirklich alles versucht.
       Haben sie aber nicht.
       
       Was denn nicht? 
       
       Es ist während des letzten Prozesses herausgekommen, dass an dem angeblich
       benutzten Feuerzeug keine DNA von Oury Jalloh, Spuren seiner Kleidung oder
       der Matratze in der Zelle waren. Dass Jallohs Obduktionsbefund nicht mit
       einem Hitzetod vereinbar ist. Und dass der Brand offensichtlich auf andere
       Weise gelegt wurde. Wir haben all diese Dinge der Staatsanwaltschaft noch
       einmal detailliert dargelegt und sie aufgefordert, entsprechende
       Ermittlungen durchzuführen. Bis jetzt hat sie nicht reagiert.
       
       Das könnte sie ja noch tun. 
       
       Das glaube ich nicht. Das hätte sie alles seit zehn Jahren machen können.
       Es wird da keine Überraschungen mehr geben.
       
       Hat der jetzt, nach zwei Gerichtsverfahren, angesetzte Brandversuch Sie
       etwa nicht überrascht? 
       
       Nein. Uns war klar, dass die Staatsanwaltschaft das tun würde. Wir haben so
       viele Indizien auf den Tisch gelegt, daran kamen sie nicht vorbei.
       
       Was werden Sie tun, wenn die Staatsanwaltschaft Dessau das Verfahren
       einstellt? 
       
       Wir werden bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg auf ein neues
       Verfahren drängen. Aus unserer Sicht hätte von vornherein eine andere
       Stelle ermitteln müssen. Die Dessauer Justiz ist in diesem Fall
       mittlerweile selbst Partei.
       
       18 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Asylsuchende
   DIR Oury Jalloh
   DIR Dessau
   DIR Oury Jalloh
   DIR Oury Jalloh
   DIR Oury Jalloh
   DIR Oury Jalloh
   DIR Oury Jalloh
   DIR Oury Jalloh
   DIR Autonome Szene
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ermittlungen zum Tod Oury Jallohs: Dessau wird der Fall entzogen
       
       Jahre wurde ermittelt, aber noch immer ist nicht klar, wie Oury Jalloh
       starb. Jetzt reicht es der Naumburger Generalstaatsanwaltschaft.
       
   DIR Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh: War es Mord?
       
       Er verbrannte vor zwölf Jahren in einer Polizeizelle. Am Samstag forderten
       mehr als tausend Menschen in Dessau die Aufklärung des Falls.
       
   DIR Kommentar Der Fall „Oury Jalloh“: Die Angst vor dem M-Wort
       
       Wie der Afrikaner starb, weiß niemand genau. Aktivisten bleiben deshalb
       misstrauisch: Warum hat die Justiz lange eine mögliche Todesursache
       ignoriert?
       
   DIR Brandgutachten im Fall Oury Jalloh: Simulation eines Todesfalls
       
       Mehr als elf Jahre nach dem ungeklärten Feuertod des Asylbewerbers Oury
       Jalloh in einer Polizeizelle lässt die Staatsanwaltschaft den Brand
       nachstellen.
       
   DIR Neues Brandgutachten zu Oury Jalloh: Beharrlichkeit zahlt sich aus
       
       Die Staatsanwaltschaft Dessau will den Brand simulieren lassen, der 2005
       Oury Jalloh in einer Polizeizelle tötete. Zu verdanken ist das Aktivisten.
       
   DIR Neuer Brandversuch in Auftrag gegeben: Fall Oury Jalloh wird untersucht
       
       Ein Schweizer Sachverständiger stellt den Zellenbrand nach, bei dem der
       Asylbewerber Jalloh starb. Auftraggeber ist die Staatsanwaltschaft.
       
   DIR Anschlag auf Gewerkschaft der Polizei: Rache für Oury Jalloh
       
       Autonome attackieren Geschäftsstelle der Polizeigewerkschaft in Bremen mit
       Steinen - wegen eines Anschlages 2005 in Dessau.